: Suhartos Machtbasis bekommt Risse
Nachdem in Indonesien die Proteste gegen das Regime und die jüngsten Preiserhöhungen die ersten Toten gefordert haben, drängen nervös gewordene Suharto-Getreue den Präsidenten jetzt zu politischen Reformen ■ Von Jutta Lietsch
Bangkok (taz) – Präsident Suharto steht vor den Trümmern seiner Politik: Die Wirtschaft liegt am Boden, Ausländer schreiben ihm Reformen vor, und die Bevölkerung beginnt, sich vehement gegen sein Regime zu wehren. Nach den schweren Unruhen der letzten Tage in zahlreichen Orten der Inselrepublik scheinen nun auch seine Getreuen nervös zu werden. So forderte die von ihm selbst initiierte einflußreiche „Vereinigung muslimischer Intellektueller“ (ICMI) gestern, er solle das politische System so schnell wie möglich reformieren. Suhartos bisherige Versprechen seien „zu vage, zu klein und kommen zu spät“. Eine Sondersitzung der „Beratenden Volksversammlung“, die üblicherweise nur alle fünf Jahre tagt, solle sofort einberufen werden. Außerdem müsse er die Regierung umbilden, verlangte ICMI.
Damit berührte die Organisation ein heißes Eisen: Nach seiner siebten „Wiederwahl“ zum Präsidenten Mitte März hatte er Verwandte und enge Geschäftspartner ins Kabinett geholt und damit nicht nur im In- und Ausland Entsetzen ausgelöst. Die Vetternwirtschaft war allerdings nicht der Auslöser der jüngsten schweren Unruhen, die in den letzten Tagen zahlreiche Orte auf Sumatra und Java erschütterten. Ursache waren vielmehr drastische Preiserhöhungen für Benzin, Kerosin zum Kochen, Strom und öffentliche Verkehrsmittel. Dahinter steckte die Forderung des Internationalen Währungsfonds, der den Wegfall von Subventionen zur Bedingung für einen 43-Milliarden-Dollar-Kreditprogramm gemacht hat. Die Regierung soll rund eine Milliarde Dollar einsparen.
Am heißesten ging es in der Zweimillionenstadt Medan auf Nordsumatra zu, deren Straßenfeger gestern Überstunden machen mußten: Glasscherben, ausgebrannte Autos, zerschlagene Möbel zeugten von den schweren Krawallen der letzten Tage. Mindestens sechs Menschen sollen seit Montag ums Leben gekommen sein. Vier davon verbrannten in ihren von Plünderern angezündeten Geschäften, zwei wurden von Soldaten erschossen, heißt es.
Suhartos Militär zeigte gestern Stärke: Kolonnen von Lastwagen mit Soldaten sowie gepanzerte Fahrzeuge patrouillierten durch Medans Straßen, um neue Ausschreitungen zu verhindern. Die Hotels sind voller chinesischer Geschäftsleute, die vor dem brandschatzenden Mob flüchteten. Auch Flüge in andere Städte waren ausgebucht. Der Zorn über die Preiserhöhungen entlud sich schon mehrfach in den letzten Monaten vor allem gegen die chinesische Minderheit, die den Handel dominiert. Verteidigungsminister und Armeechef Wiranto, der persönlich die Lage in Medan inspizierte, beschuldigte „Kriminelle“, hinter den Protesten zu stecken.
Doch Wiranto weiß, daß er es nicht nur mit Plünderern zu tun hat. In den letzten Wochen haben Tausende von Studenten täglich gegen das Regime, steigende Preise und Arbeitslosigkeit protestiert. Meist blieben sie auf ihrem Campus, wie es die Armee vorschrieb. Nun beginnen sie immer häufiger wie in Medan, das Universitätsgelände zu verlassen. Auch andere Bürger schließen sich ihnen an. In Jakarta protestierten 4.000 Arbeiter gegen die Preiserhöhungen. Aus Washington, London und Canberra mußte sich Suharto mittlerweile Ermahnungen anhören, nicht auf Demonstranten schießen zu lassen. Die Unruhen haben die Währung Rupiah inzwischen wieder auf 10.000 pro Dollar abstürzen lassen. Siehe Kommentar
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