: Daimler und Chrysler im Ehebett
■ Am Mittwoch noch erste Hinweise und gestern schon alles klar: Bald soll die Daimler-Chrysler AG in Stuttgart residieren. Kasse machten schon am ersten Tag die Großaktionäre
Berlin (taz/dpa) – „Das ist ein historischer Zusammenschluß, der das Gesicht der Industrie verändern wird“, sagte Daimler-Benz- Vorstandschef Jürgen Schrempp gestern unbescheiden wie üblich in London. Zusammen mit dem Chrysler-Boss Robert Eaton besiegelte er dort offiziell die Fusion zu dem, gemessen am Umsatz, drittgrößten Automobilhersteller der Welt mit Namen Daimler- Chrysler AG. Wenn die Aktionäre und die Kartellbehörden zustimmen, soll „die Transaktion Ende des Jahres 1998 abgeschlossen sein“, so Daimler gestern. Daimler-Aktionäre werden nach einem Aktientausch „alt gegen neu“ etwa 57 Prozent des neuen Unternehmens halten, Chrysler-Aktionäre die restlichen 43 Prozent.
Werksschließungen oder Entlassungen seien nicht geplant. Laut Schrempp ist der neue Konzern der profitabelste Autobauer der Welt. Schon für 1999 erwartet er „Kostenvorteile von 2,5 Milliarden Mark“. In wenigen Jahren sollen durch vereinten Einkauf und Verkauf sogar fünf Milliarden jährlich gespart werden. Die Automarken sollen weiterhin getrennt geführt werden. Es werde aber einen Austausch von Komponenten und Technik geben.
Ob die neue Firma gleich die Autoindustrie verändert, wird sich zeigen. Die Ausgangsbasis jedenfalls kann sich sehen lassen: Der Wert der Aktien der beiden Konzerne an den Börsen ist nach den Angaben von Daimler derzeit 166 Milliarden Mark. Beide zusammen hatten 1997 einen Umsatz von 234 Milliarden Mark und einen Vorsteuergewinn von 12,5 Milliarden Mark. Damit die 421.000 Mitarbeiter auch in Zukunft voll ausgelastet werden, haben die beiden Vehikelbauer im vergangenen Jahr 12,8 Milliarden Mark in Forschung und Entwicklung gesteckt.
Wer die Firma führt, scheint auch schon geregelt zu sein: Drei Jahre stehen Schrempp (53) und Eaton (58) gemeinsam an der Spitze, dann wird sich Eaton in den Aufsichtsrat zurückziehen, und Schrempp sitzt alleine am Steuer. Bei der Firmenstruktur hat sich Daimler durchgesetzt: Die Firma wird in Deutschland registriert, wenn sie auch von zwei Zentralen in Stuttgart und Auburn Hills, dem Chrysler-Vorort von Detroit, gesteuert wird. Sogar die in den USA unübliche Mitbestimmung der Arbeitnehmer im Aufsichtsrat wird übernommen. Künftig werden im Aufsichtsgremium der Daimler- Chrysler AG also US-amerikanische und deutsche Gewerkschafter gemeinsam Einblick in die Bücher des Vorstands bekommen.
Der Betriebsrat zeigte sich nach der ersten Überraschung über die blitzartige Fusion denn auch wenig ängstlich, wenn auch derzeit noch viele Fragen offen blieben. Der Vizevorsitzende der IG Metall und Daimler-Aufsichtsrat, Walter Riester, sagte, in der Aufsichtsratssitzung sei „überzeugend belegt worden“, daß Standorte oder Arbeitsplätze in Deutschland nicht gefährdet seien. „Und da wollen wir natürlich auch Zusicherungen“, sagte Riester dem WDR-Radio.
Richtig Kasse machten gestern und vorgestern die Großaktionäre beider Konzerne. Wie immer bei erfolgversprechenden Fusionen schießen die Börsenkurse in die Höhe. Daimler legte gut 7 Prozent zu, Chrysler gewann an der Wall Street gar 18 Prozent. Das brachte dem größten Aktionär der Amis, dem berühmt-berüchtigten Kirk Kerkorian, satte 660 Millionen Dollar Gewinn an einem Tag – knapp 1,2 Milliarden Mark. Der Aktienspekulant aus Las Vegas besitzt 13,7 Prozent an Chrysler. Aber auch bei der Deutschen Bank rieselte es in die Kassen: Die Bank hält gut 22 Prozent an Daimler und ist dort vor Kuwait mit 13 Prozent größter Anteilseigner. Die Deutsche Bank wird auch als Beraterin noch ein paar Milliönchen hinzuverdienen, weil über sie auch ein Teil der Aktientransaktionen abgewickelt wird. Reiner Metzger
Portrait Seite 13
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen