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Frauenfeindlichkeiten

■ Frauen wollen alles: Job und Kind. Wer nur das eine hat und das andere nicht, wird – je nach Gusto – mißtrauisch beäugt oder bemitleidet. Die Vereinbarkeit von Beruf und Kind ist die neue Norm. Wobei der Beruf möglichst interessant sein soll und die Kinder perfekt. Die Balance zwischen privater und öffentlicher Sphäre bringt Streß. Auch unter den Frauen: zwischen Müttern und Nichtmüttern, Karrierefrauen und Teilzeitangestellten, Hausfrauen und Arbeitsbesitzerinnen. Es grassieren Neid und subtile Herbsetzung. Wenn Frauen sich fertigmachen – ein Symptom dafür, daß Politik und Gesetzgebung versagen.

Es ist ein Luxusangebot vom Chef. Die 40jährige Multimediaspezialistin kann zur Projektleiterin aufsteigen und sogar einen Tag in der Woche zu Hause bleiben. Das freut die Familie. Die Kolleginnen jedoch nicht. Die fangen an zu tuscheln. Na, so eine richtige Chefin ist sie ja doch nicht. Warum hat eigentlich gerade sie den Job bekommen? „Unter Frauen herrscht die Devise: Gemeinsam bleiben wir klein“, erklärt Personalberaterin Ilse Martin. „Wenn eine aufsteigt und dann auch noch Teilzeit fordert, wird sie erst mal fürs Ausscheren bestraft.“

Je höher Mütter im Job steigen, desto klarer zeigt sich: Nicht nur Männer, auch Frauen machen Frauen das Leben schwer. Mütter gegen Nichtmütter, Teilzeitbeschäftigte gegen Aufsteigerinnen, Jobbesitzerinnen gegen Hausfrauen. Da wird gestänkert, intrigiert, geneidet. „Geschichtlich gesehen haben Frauen nie gelernt, offen zu konkurrieren“, sagt Ilse Martin, die das Kölner Managerinnen-Kolleg leitet. „Unter Frauen herrscht eher die Tendenz, als Gruppe untereinander gleich zu bleiben. Früher war das ein Schutz.“

Der solidarische Schutz funktioniert jedoch nicht mehr, weil sich die Lebensentwürfe von Frauen zunehmend auseinanderdividieren. Die einen gehen ganz im Job auf und können sich eine festangestellte Kinderfrau leisten. Die anderen sind mit ihrem Teilzeitjob fachlich frustriert, müssen aber ihre Berufstätigkeit mit den Kitazeiten abstimmen. Andere wiederum kämpfen als Nur-Hausfrauen mit Isolation, innerer Einsamkeit und gesellschaftlicher Abwertung. Und dann gibt es ja noch die kinderlosen Frauen: Auch sie werden mißtrauisch beäugt oder heimlich bemitleidet – je nach Gusto.

„Die soziale Ausgrenzung und Polarisierung unter Frauen hat zugenommen“, sagt Maria Rerrich, Familiensoziologin an der Fachhochschule München. Während in Westdeutschland noch vor zwanzig Jahren nur ein Drittel der verheirateten Mütter mit Schulkindern arbeiten ging, sind es heute schon fast zwei Drittel, im Osten sogar drei Viertel, ergibt eine Studie vom Nürnberger Institut für Arbeitsmarkt und Berufsforschung. Nach einem Erziehungsurlaub ackert allerdings nur noch jede siebte Mutter Vollzeit (im Osten jede dritte). Viel öfter als Männer müssen Frauen mit Jobs vorliebnehmen, auf denen sie sich unter Wert verkaufen, so das Ergebnis der Berliner Sozialforscher Felix Büchel und Gernot Weißhuhn.

Weil sich politisch nichts tut, müssen Frauen die Spannungen zwischen Job, Kinder und Familie individuell austragen. „Da spielt sich auch viel auf der symbolischen Ebene ab“, sagt Rerrich. Im Kinderladen sieht das dann so aus: Berufstätige Mütter werden mißmutig angeschielt, wenn sie mal wieder nicht zum Bastelnachmittag erscheinen und zur Weihnachtsfeier statt selbstgebackener Biokekse nur Knabberzeug vom Supermarkt mitbringen. Aus der Sicht der meisten Vorgesetzten wiederum sind Mütter, die ab drei Uhr besorgt auf die Uhr gucken, nicht förderungsfähig. „Es ist eben eine Kränkung für die jeweilige Institution, wenn Frauen signalisieren: Es gibt noch etwas anderes als den Job“, meint Rerrich.

Das Problem verschärft sich bei berufstätigen Alleinerziehenden, die im Alltag zwischen den Institutionen aufgerieben werden.

Doch auch Nur-Hausfrauen und kinderlose Aufsteigerinnen müssen sich üble Nachrede gefallen lassen. Wenn die Vereinbarkeit von Beruf und Familie zur neuen Norm werde, dann „können auch jene leicht unter Druck geraten, die von dieser Vereinbarkeitsnorm nach der einen oder anderen Seite abweichen“, sagt Rerrich. Von Frauen in Führungsjobs sind drei Viertel entweder unverheiratet oder zumindest kinderlos.

Die Kölner Personal-Coacherin hat mehrere Ebenen ausgemacht, auf denen Frauen im Job den Kleinkrieg gegen eine Aufsteigerin führen. Zuerst wollen ihr die Kolleginnen die eigenen Selbstzweifel unterjubeln, frei nach dem Motto: Das würde ich mir nie zutrauen. Als nächstes kommen der Neid und üble Sprüche, dann die Mißachtung und gar das Unterlaufen von Arbeitsanweisungen. Nicht nur die männlichen, auch die weiblichen Untergebenen setzen die Chefin unter „massiven Leistungsdruck“, sagt Martin. Fordert sie, die Führungskraft, dann auch noch als Mutter einen Teilzeitjob – wie unverschämt –, wird sie als Chefin nicht mehr ernst genommen. „Manche Frauen fragen dann schnell nach dem großen, dem eigentlichen Führer“, schildert die Coacherin.

Aus diesen Gründen rät Ilse Martin Frauen mitunter, lieber in eine andere Abteilung oder in einen anderen Betrieb zu wechseln, um in eine Führungsposition aufzusteigen. Interne Beförderungen von Männern hingegen würden nun einmal leichter akzeptiert – auch von den lieben Kolleginnen. Der Grund: Hier greift das „Kronprinzen“-Schema. „Wir haben in Betrieben noch keine Frauen, die wiederum Frauen als ihre Nachfolgerinnen großziehen“, erklärt Martin. In positiven Fällen verwandelt sich weiblicher Neid jedoch in Unterstützung, sagt die Kölner Beraterin. „Dann sehen die Frauen ein, daß alle Argumente, die sie gegen Frauen haben, auf sie zurückschlagen.“

Ursache des weiblichen Kleinkriegs unter Kolleginnen, Nachbarinnen und Kitamüttern sind natürlich nicht mißgünstige weibliche Persönlichkeitsstrukturen, wie oft heimlich unterstellt. „Frauen tragen auf der individuellen Ebene nur die Konflikte aus, die letztlich Politik und Gesetzgeber verursacht haben, das ist das Drama“, urteilt Rerrich.

Die Spaltung zwischen Beruf und Familie – also öffentlicher und privater Sphäre – ist nach wie vor tief. Fehlende Kinderbetreuung in Ganztagsschulen und die mangelnde Anerkennung von Erziehungsarbeit sind das eine. Gleichzeitig wird von Frauen aber immer noch die Mutterschaft eingefordert, um die Nachkommenschaft zu sichern. Bei so viel Streß müssen Frauen Dampf ablassen. Notfalls auch gegeneinander. Barbara Dribbusch

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