Käpt'ns-Dinner im La Paloma

■ Ein neues Fischrestaurant an der Schlachte setzt Akzente - auch für FischhasserInnen

Mögen Sie toten Fisch? Nein? Sie hassen toten Fisch? Dann sind Sie im neueröffneten Hafenrestaurant La Paloma genau richtig. Als eingefleischter Fischhasser ist es ein leichtes, das neue Fischrestaurant an Bremens Boom-Meile Schlachte in den Abgrund zu reißen. So geschehen bereits am Abend der Eröffnung.

Zu der großen Party hatte es ganz offensichtlich eine Verschwörung der versammelten Gemeinde Bremer Steakhouse-Besitzer gegeben. Die ließen fast sämtliche Speisekarten mitgehen. „Obwohl diese wohlverwahrt hinterm Tresen lagen“, schwört Besitzer Karl-Heinz Bauer. Jetzt hat er das Problem, daß er bei seinen Gästen die Restkarten immer hinterher einsammeln muß.

Doch der Trick mit dem Kartenklau ist nicht der einzige Dreh, wie sich Liebhaber von lebenden Fischen an Karl-Heinz Bauer und seiner Bordcrew rächen können. Wirbt Bauer doch mit folgendem: „Kein einziges tiefgefrorenes Stückchen Fisch wird die Schwelle des La Paloma überschreiten.“ Also: Ans Werk, oh ihr Fischfreunde. Steckt euch Fischstäbchen ein und stürmt das La Paloma. Wir sind gespannt, wie sich Käpt'n Bauer wehrt. Aber selbst wenn er die abgesägte Schrotflinte auspackt – für Fluchtwege ist gesorgt. Im Erdgeschoß sind große, unverschlossene Fenster bis zum Fußboden. Der ideale Fluchtweg für Fischstäbchenschmuggler oder Zechpreller. Wer sich dennoch erwischen läßt, muß damit rechnen, an den güldenen Garderobenhaken aufgehängt zu werden.

Wer aber bezahlen kann, nichts gegen toten Fisch oder güldene Garderobenhaken hat, dem will man lauthals zurufen: „Besucht das La Paloma, unerwartete Gaumenfreuden in maritimer Atmosphäre erwarten Euch – superb!“

Zuerst zur Atmosphäre: Abgesehen von den schrecklichen Wandhaken und dem gruseligen Weinregal über der Theke hat die Sache Stil. Designed by Lazi Klein, MitBesitzer der Übersee-Museums-Kneipe, vermittelt das La Paloma einen mittleren Eindruck aus Titanic-Ambiente und Roy-Lichtenstein-Ausstellung. Fügt sich aber in der stets unnachahmlichen Art des Designers auch diesmal wieder zu einem angenehmen Ensemble zusammen. Schade nur, daß der Schiffsschlot, der ursprünglich Titanic-mäßig schwarz-rot gestrichen werden sollte, jetzt von zwei Bremer Künstlerinnen sehr bunt aber gekonnt verziert wurde. Leider ging dadurch auch der maritime Aspekt flöten. Den auch die messingbesprühte Kasten-“Stuck“-Decke nicht so ganz vermittelt. Grandios ist dagegen die Treppe in die oberen Etablissements. Sie gleicht einer gigantischen Reuse. „Eigentlich sollte sie auch ganz anders aussehen“, sagt Käpt'n Bauer. „Aber im Lauf der Ausbauarbeiten haben wir immer weiter daran gearbeitet, so daß jetzt aus einem geplanten Golf eine Mercedes-S-Klasse geworden ist.“ Schreitet man über die Daimler-Reuse hinan in die oberen Räumlichkeiten, wird man übrigens mit einem herrlichen Weser-Blick belohnt. Bei der Aussicht, würden sogar Fischstäbchen schmecken.

Da selbige aber nicht eingelassen werden, muß man mit echter Haute cuisine von Kombüsen-Chef Aleksander Zupanc aus Slowenien vorlieb nehmen. Der Smutje hat zuletzt in dem Ein-Sterne-Restaurant Pades in Verden gebruzzelt. Jetzt fröhnt er im La Paloma seiner versammelten Fischleidenschaft. Unter den Augen der Gourmets werden die Meeresköstlichkeiten zubereitet – mit wechselndem Mittagstisch zwischen 11 Mark für Rinderfiletstreifen mit marinierten Shrimps oder beispielsweise Eismeerlachsforelle mit Lauchgemüse und Salzkartoffeln für 14 Mark. Gerichte wie Gedichte, die auf der Zunge zergehen. Auch die Abendkarte verspricht Gaumenfreuden: Etwa Streifenbarbe mit Pinienkernkruste. Wirft man dann noch einen Blick an den endlich sommerlich erstrahlenden Himmel, darf sich der Gast auch gerne draußen am Schlachte-Weser-Ufer verwöhnen lassen. Oder bis Mitternacht warten, wenn Kombüsenreste herumgereicht werden – gemäß dem klassischen Käpt'ns-Dinner mit anschließender Happy-hour. Dazu erklingen Seemann-Shanties: „La Paloma“ eben. Jens Tittmann