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Der boomende Spätzünder

Zwei Tage vor der Wahl hinterläßt Präsident Ramos den Filipinos eine wachsende Wirtschaft. Die Armut bleibt  ■ Aus Manila Jutta Lietsch

„Ich werde euch Bewässerungskanäle bauen“, ruft der philippinische Präsidentschaftskandidat Joseph Estrada bei seinen Wahlkampfauftritten. Die Bauern hören das gern, auch wenn das Versprechen ihre gegenwärtige Not nicht lindern kann: Durch die El- Niño-Dürre sind ganze Landstriche auf den Philippinen vertrocknet. 3,6 Millionen Filipinos – fünf Prozent der Bevölkerung – sind nach Angaben des philippinischen Roten Kreuzes von der Trockenheit betroffen. Bis zum August, wenn die ersten starken Monsunregen fallen, werde sich die Lage nicht verbessern, fürchten Hilfsorganisationen.

Es scheint, als hätten sich himmlische und irdische Kräfte verbündet, das Ende der sechsjährigen Amtszeit von Präsident Fidel Ramos zu trüben. Denn noch vor kurzem galt der 70jährige als „erfolgreichster Präsident“, den das Land je hatte, so das Asian Wall Street Journal. „Ramos hat die Philippinen zurück nach Asien geholt“, sagt der Vertreter der Europäischen Handelskammern in Manila, Henry Schumacher.

Als der ehemalige General 1992 Corazon Aquino ablöste, steckte Manila in einer tiefen Krise, während die südostasiatischen Nachbarn boomten. Die philippinische Industrie stand praktisch still. Tägliche „Brown-Outs“, Stromausfälle, lähmten das Land. Zudem schreckten putschende Militärs, die Aktionen linker Guerillagruppen und die Kämpfe separatistischer Muslime im Süden selbst nervenstarke Investoren ab. Nur die Dollarüberweisungen der vier Millionen im Ausland arbeitenden Filipinos und Filipinas verhinderten, daß die Wirtschaft ganz zusammenbrach.

Heute hat sich das Bild gewandelt: Anders als in Bangkok oder Jakarta, die von der asiatischen Finanzkrise schwer getroffen sind, drehen sich die Kräne an den großen Baustellen der philippinischen Hauptstadt. Heftige Staus zeigen, daß immer mehr Autos auf den Straßen rollen.

Ramos gelang es innerhalb kurzer Zeit, mit neuen Gesetzen und Dekreten Reformen einzuleiten: Seine Regierung brach die großen Handels- und Industriemonopole auf, zum Beispiel in der Telekommunikation. Er liberalisierte das Finanzsystem, ließ elf ausländische Banken ins Land, privatisierte Schiffahrtslinien, Mineralöl- und Bergbauindustrien. Mit Steuergeschenken lockte er Investoren an. Ergebnis: Das Wirtschaftswachstum stieg von 0,2 Prozent im Jahr 1992 auf 5,1 Prozent im vergangenen Jahr.

Auch die Exporte – davon sind rund die Hälfte Elektronikgüter – nahmen rasant zu. Nach Berechnungen der Asiatischen Entwicklungsbank (ADB) kletterten die Ausfuhren von 4,7 Prozent im Jahr 1990, auf 22,8 Prozent im letzten Jahr. Als die asiatische Krise im vergangenen Sommer Südostasien erschütterte, kamen die Philippinen zunächst relativ ungeschoren davon. Denn unter der Aufsicht des Internationalen Währungsfonds hatten sich die Banken in den vergangenen Jahren weniger stark im Ausland verschuldet. Bislang ist nur eine von ihnen pleite gegangen.

Dem späten Boom war es zudem zu verdanken, daß weniger Spekulationsgelder in den Immobiliensektor flossen. Für 1998 rechnet die Regierung mit einem Wirtschaftswachstum von immerhin rund 2,3 Prozent. Allerdings fürchten Ökonomen, daß die schlimmsten Auswirkungen von El Niño und asiatischer Krise noch bevorstehen. Die Exporte gehen derzeit drastisch zurück, weil die traditionellen asiatischen Kunden kein Geld haben. Ausländische Direktinvestitionen „kommen im Augenblick so gut wie keine“, sagt Shiladitya Chatterjee von der ADB. Die kommende Talfahrt sei derzeit noch nicht so deutlich erkennbar, weil in den letzten Wochen enorme Summen ins Land strömten, die für die Finanzierung des Wahlkampfes ausgegeben wurden.

Damit wurden schnell noch Straßen in Wahlbezirken gebaut oder Wahlhelfer und Lokalpolitiker bezahlt. Die Präsidentschaftskandidaten „geben schon mal 100 bis 250 Millionen Mark aus“, schätzt Chatterjee. „Die Investoren warten ab, was nach den Wahlen geschieht“, sagt ein Geschäftsmann in Manila. Die Unternehmer hätten Ramos am liebsten behalten, dem die Verfassung allerdings eine zweite Amtszeit verbietet.

Doch die Wahlen entscheiden die verarmten Bauern, Tagelöhner und Slumbewohner, die vom Aufschwung der Ramos-Zeit wenig gespürt haben. Ihnen gibt Estrada neue Hoffnung: billigere Wohnungen, bessere Ausbildung, erschwingliche Krankenversorgung, und vor allem: Jobs. Gut acht Prozent der Bevölkerung sind offiziell arbeitslos, in Wirklichkeit aber seien „über dreißig Prozent erwerbslos oder unterbeschäftigt“, sagt der deutsche Ökonom Armin Bauer von der ADB. Ein Drittel der Menschen lebt unter der offiziellen Armutsgrenze, die bei einem jährlichen Durchschnittseinkommen von knapp 9.000 Pesos liegt (rund 490 Mark). Lehrer in Manila verdienen um die 10.000 Pesos im Monat – eine Familie braucht allerdings zwei- bis dreimal soviel, um über die Runden zu kommen. Estrada will auch die Subventionen für die heruntergekommene Zuckerindustrie abschaffen, die viele mächtige Familien machte.

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