: Filz zugegeben
■ SPD-Parteitag: Landeschef Kuhbier selbstkritisch zu Vetternwirtschaft
Eine lang ersehnte Streicheleinheit für SPD-Bausenator Eugen Wagner: Zum ersten Mal seit Jahren wurde der umstrittene Parteirechte als Kreisvorsitzender von Mitte mit 151 von 276 Stimmen auf Anhieb in den Landesvorstand gewählt. In der Vergangenheit waren stets ein zweiter Wahlgang und mahnende Worte der Parteispitze nötig. Damit wurde Wagner doch nicht dafür abgestraft, daß er Ende Februar mit der Protektion seines Zöglings Johannes Kahrs die Bundestagskandidatur von Ex-Bürgermeister Henning Voscherau verhindert hat. Seine Partei dürfte ihn vielmehr dafür belohnt haben, daß er Rot-grün zugelassen hat.
Wagners Wahl war nicht die einzige Überraschung auf dem SPD-Landesparteitag am Freitag abend in Wilhelmsburg. Landeschef Jörg Kuhbier, der mit einer satten 90prozentigen Mehrheit für zwei weitere Jahre wiedergewählt wurde, fand in seiner Grundsatzrede erstaunlich kritische Worte zum SPD-Filz. Zwar seien die derzeit erhobenen Vorwürfe „maßlos und ungerecht“, sagte Kuhbier, aber „natürlich ist an der Kritik auch etwas Wahres.“ Denn: „Es stimmt ja, daß wir manches Mal selbstgefällig waren. Und es ist wahr, daß manche von uns nicht immer nur das Wohl der Stadt, sondern auch das eigene im Auge gehabt haben“, so der Parteichef. „Wir gestehen Fehler ein und werden unsere eigenen Kontrollinstrumente schärfen.“ Stunden vorher hatte der Rechnungshof bestätigt, daß Ex-Sozialsenatorin Helgrit Fischer-Menzel (SPD) mit ihrer Einmischung in eine Auftragsvergabe zugunsten ihres Ehemannes gegen das Sozialgesetz verstoßen hat.
Kuhbier nutzte den Parteitag außerdem, um eine Kehrtwende der SPD bei den Volksentscheiden kundzutun. Im März hatten 220.000 HamburgerInnen für vereinfachte BürgerInnenbeteiligung gestimmt. „Wir haben begriffen und wir werden reagieren“, sagte der Landeschef. Bisher hatte sich die SPD geweigert, auf die Forderungen der Initiative „Mehr Demokratie“ einzugehen. Die SPD ist nun bereit, die Hürden für die ersten beiden Schritte zum Volksentscheid zu senken. Da das der Ini noch immer zu wenig ist, will die SPD zusammen mit GAL und CDU beim Volksentscheid am 27. September einen alternativen Gesetzesentwurf vorlegen. Silke Mertins
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