: Ein kritischer Blick nach New York
■ „New York! New York?“ – Eine internationale Tagung der Friedrich-Ebert-Stiftung zur Kriminalitätsprävention in Metropolen
Was kann Berlin von dem umstrittenen New Yorker Polizeimodell lernen? Kann die Stadt überhaupt davon lernen? Und ist es wünschenswert, die vom New Yorker Ex-Polizeichef Bratton propagierte Strategie der „Null-Toleranz“ zu übernehmen? Die meisten ReferentInnen der gestern eröffneten Tagung der Friedrich- Ebert-Stiftung – von der US-Strafrechtlerin Judith Greene über den deutschen Kriminologen Christian Pfeiffer bis zum Vizechef der Berliner Polizei, Dieter Schenk – beantworteten letzteres mit einem klaren „Nein“.
Nur Justizsenator Ehrhart Körting (SPD) gab ein klares „Ja, aber“ zur Antwort. Er forderte ein stärkeres Ineinandergreifen von Sozialpolitik und Innerer Sicherheit. Weder eine Politik gegen soziale Ausgrenzung noch Repression allein könne den Anstieg der Kriminalität bremsen. Es sei notwendig, „Hemmschwellen“ für Straftaten zu erhöhen und eine schnellere Aburteilung zu garantieren. Er kündigte neue Richtlinien für die Handhabung des Jugendrechts an: sofortige Bestrafung für kleinere Vergehen direkt vor Ort oder Bestrafung außerhalb der Strafprozeßordnung. Bei Erwachsenen setzt Körting auf beschleunigte Verfahren und auf den Ausbau des technischen Apparats wie durch den Großen Lauschangriff oder eine Gen-Datei.
Für seine Ausführungen wurde Körting hart kritisiert. Der Leiter des kriminologischen Forschungsinstituts in Niedersachsen, Christian Pfeiffer, warf Körting „Populismus“ vor. „Ich bin erschrocken“, sagte Pfeiffer, „daß ein Justizsenator der Meinung ist, das Jugendstrafrecht sei nicht adäquat.“ Körtings Ansatz, „den Sühnegedanken zu stärken“, habe mit Sachfragen nichts zu tun.
Nicht Statistik, sondern diffuse Ängste seien die Grundlage der derzeitigen Diskussion um die Innere Sicherheit. Deshalb müsse der Schwerpunkt polizeilicher Arbeit auf der Aufklärung und auf einer Zusammenarbeit von Polizei, Justiz und Bürgern liegen. „Wir haben allen Anlaß, kritisch nach Amerika zu schauen“ sagte Pfeiffer. Denn das Brattonsche Modell bedeute im Endeffekt polizeistaatliche Verhältnisse und den Abschied von einer Sozialpolitik.
Pfeiffers Kritik wurde gestern von US-amerikanischen ExpertInnen untermauert. Judith Greene vom Institut für Strafrecht in Minnesota wies darauf hin, daß während der Brattonschen Regentschaft über die New Yorker Polizei die Kriminalitätsrate zwar gesunken, daß dies aber nicht allein seiner Strategie zu verdanken sei. Vorherige Veränderungen in der Polizeistruktur hätten Auswirkungen auf die Kriminalitätskurve ebenso wie gesellschaftliche Entwicklungen. „Andere Städte kommen der Kriminalitätsverringerung von New York City nahe“, so Greene. In diesen Städten, die mit dem System des „Community Policing“ arbeiteten, wie San Diego, gebe es allerdings weder die berichteten brutalen Übergriffe der Polizei noch derart hohe Häftlingszahlen wie in New York.
„Prävention ist eine zivilgesellschaftliche Aufgabe“, betonte auch der Polizei-Vize Dieter Schenk. „Das, was uns mit dem New Yorker Modell als Prävention verkauft wird, ist reine Repression, und zwar rechtsstaatlich bedenkliche. Ein Modell für uns kann das niemals werden.“ Die Tagung wird mit Blick auf die Strategien anderer europäischer Städte und auf Berlin heute und morgen fortgesetzt. Barbara Junge
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