: Klärung der Fronten in Burundis Krieg
Bewegung kommt in Burundis Bürgerkrieg: Die Hutu-dominierten Rebellen geben sich eine neue, radikalere Führung, Tutsi-Präsident Buyoya einigt sich mit der zivilen Hutu-Opposition auf politische Reformen ■ Von Oliver Meisenberg
Berlin (taz) – Burundi erlebt derzeit eine Reihe politischer Erdbeben, die die Lage in dem bürgerkriegsgeschüttelten Land grundlegend verändern könnten. Staatschef Pierre Buyoya, der 1996 in einem Putsch der Tutsi-dominierten Armee an die Macht kam, hat grundlegende politische Reformen in Zusammenarbeit mit einem Teil der zivilen Opposition angekündigt. Zugleich ist bei der Hutu-dominierten Rebellenbewegung CNDD (Nationalkomitee zur Verteidigung der Demokratie), die gegen die Militärherrschaft kämpft, die gesamte historische Führung durch eine neue, junge Generation ersetzt wurde.
Jean-Bosco Ndayikengurukiye, der bisherige junge Oberkommandierende des militärischen CNDD- Flügels FDD, erklärte den Gründer und Präsidenten des CNDD, Leonard Nyangoma, am 6. Mai für abgesetzt und verkündete, er werde sich „um die Umstrukturierung und Neubesetzung der Bewegung kümmern“. Als Begründung gibt Ndayikengurukiye gegenüber der taz an, Nyangoma habe „diktatorisches Verhalten“ an den Tag gelegt und Korruption toleriert (siehe Interview). Mit Nyangoma verliert auch die gesamte bisherige Führung der Rebellen ihre Posten.
Nyangoma, der jetzt im kenianischen Exil sitzt, war seit 1994 CNDD-Chef. Er war nach den freien Wahlen von 1993, die die Hutu-dominierte Partei „Frodebu“ gewonnen hatte, Innenminister unter dem gewählten Präsidenten Melchior Ndadaye gewesen, der wenige Monate nach seinem Amtsantritt von Tutsi-Soldaten ermordet wurde. Später gründeten Teile der Frodebu das CNDD als bewaffnete Widerstandsbewegung gegen das Militär, während andere Frodebu-Politiker versuchten, Kompromisse mit den militärtreuen Parteien einzugehen. Das war eine Arbeitsteilung: Ein Teil der Frodebu sollte im Inland bleiben und eine moderate Rolle spielen, während ein anderer Teil unter Nyangoma ins Ausland ging und den Weg des extremistischen Kampfes einnehmen.
Im resultierenden Bürgerkrieg sind seither über 200.000 Menschen ums Leben gekommen. Der letzte von der Frodebu gestellte Staatschef wurde im Juli 1996 vom Militärputsch des heutigen Präsidenten Buyoya gestürzt; von den demokratischen Institutionen des Jahres 1993 ist nur noch das Parlament übriggeblieben.
Der Konflikt im CNDD brodelt schon seit Monaten. Im November 1997 enthob Nyangoma alle Mitglieder des Exekutivkomitees ihrer Ämter; die angekündigte Umstrukturierung fand aber nie statt. In der zweiten Märzhälfte erklärten sechs Kommandanten des FDD, darunter Jean-Bosco Ndayikengurukiye, alle Verantwortlichen des CNDD außer Nyangoma für abgesetzt und beriefen sie zu einem Tribunal ein. Nyangoma selber wurde in seiner Funktion als Präsident aufgefordert, seine Aktivitäten vom Exil ins Landesinnere zu verlegen. Nyangoma weigerte sich und schaffte es, Ndayikengurukiye zu einer Annullierung seiner Beschlüsse zu bewegen, die dieser jedoch am nächsten Tag widerrief. Seit März also saß die junge FDD-Militärführung in Tansania und wollte mit Nyangoma verhandeln – erfolglos. Es folgte am 6. Mai der Absetzungsbeschluß. Der ebenfalls abgesetzte Generalsekretär William Munyembabanzi ist auf der Flucht nach Südafrika.
Hinter den Streitereien steckt ein Generationskonflikt. Für die junge Generation ist der Altpolitiker Nyangoma hauptsächlich damit beschäftigt, das repräsentative teure Leben im Exil dem Buschkrieg vorzuziehen. Der Großteil der Führungskader und Finanzierer des CNDD hat sich von ihm distanziert. Die Palastrevolution wurde von langer Hand vorbereitet und findet eine breite Unterstützung, unter anderem in Tansania, wo die Rebellen ihre Basen haben. Sie hat auch die Unterstützung des Exilführers der Frodebu, Jean Minani.
Der Sinn davon ergibt sich daraus, daß die Regierung Buyoya in Burundi derzeit dabei ist, sich mit dem im Lande arbeitenden Flügel der Frodebu zu verständigen, der von Parlamentspräsident Leonce Ngendakumana geführt wird. Rechtzeitig, bevor das verfassungsmäßige Mandat des 1993 gewählten Parlaments ausläuft, hat Buyoya vorgeschlagen, das Parlament zu erweitern und zwei Vizepräsidenten zu ernennen, um der zivilen Hutu-Opposition in Burundi mehr Raum im Staat zu geben.
Ngendakumana unterstützt diese Pläne. Gegenüber der taz spricht er von einer „Partnerschaft zwischen Parlament und Regierung für den Friedensprozeß“ mit dem Ziel, „den Staat zu organisieren“, als Vorbedingung für ein Ende des Bürgerkrieges. Frodebu- Exilchef Jean Minani lehnt das hingegen als „einseitige Vereinbarung“ ab.
Dies könnte auf Dauer zu einer Spaltung der Frodebu führen. Zunächst bedeuten die jüngsten Ereignisse eine Klärung der politischen Fronten. Es deutet sich einerseits eine Radikalisierung der Guerilla an, während zugleich Buyoya durch die Einigung mit seinen bisherigen politischen Gegnern in der burundischen Hauptstadt Bujumbura gestärkt wird. Auf jeden Fall kommt Bewegung in Burundis Bürgerkrieg, nachdem sich die Fronten monatelang festgefahren hatten.
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen