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Grüner Tarif bringt nichts

Kaum jemand ist bereit, für umweltfreundlichen Strom mehr an die Stromkonzerne zu bezahlen. Kommunale Förderprogramme bringen mehr Solarzellen auf die Dächer  ■ Von Bernward Janzing

Freiburg (taz) – Mit „Grünen Stromtarifen“ allein ist eine Energiewende nicht zu schaffen. Statt dessen muß, wer ernsthaft an einer Förderung der Nutzung von Sonne, Wind und Wasser interessiert ist, den eingespeisten Strom kostendeckend vergüten. Zu diesem Ergebnis kommt eine Studie des Freiburger Öko-Instituts. Das „Green Pricing“, bei dem Kunden ihrem Stromversorger Geld spenden, damit er dieses in umweltfreundliche Kraftwerke investiert, ist demnach Augenwischerei.

Autor Jochen Markard hat ein Dutzend „grüner“ Tarife von Stromversorgern im In- und Ausland untersucht: Nur einer von 100 Kunden war im Schnitt bereit, für seinen Strom freiwillig mehr zu zahlen. Entsprechend gering ist der Zuwachs an regenerativ erzeugtem Strom in den Netzen der Energieversorger mit „Grünem Tarif“. Auch in Zukunft wird der Anteil von Öko-Strom mit diesem Konzept kaum ansteigen: „Keine rosigen Aussichten für grüne Tarife“ bilanziert das Öko-Institut. Das Potential dieses Instruments sei, so Energie-Koordinator Christoph Timpe, „geringer als das der kostendeckenden Vergütung“. Der „Grüne Tarif“ könne daher „keinesfalls eine Alternative zu anderen Förderkonzepten“ sein.

Egal welchen Stromversorger im Land man sich anschaut, überall wird die Studie eindrucksvoll bestätigt. Von der EnBW, dem Zusammenschluß von Badenwerk und Energieversorgung Schwaben, bis hin zum RWE ist die Resonanz auf den „Grünen Tarif“ miserabel. Förderprogramme hingegen kommen gut an, so gut, daß sie meist schon im Januar für das ganze Jahr ausgeschöpft sind – zum Beispiel bei den Stadtwerken Ulm/Neu Ulm: Seit zwei Jahren wird dort der Solarstrom kostendeckend (bis zu 1,89 Mark je Kilowattstunde) vergütet. Dieses Jahr sollen dort Solarzellen für 100 Kilowatt gefördert werden, bereits am 6. Januar, so Stadtwerke-Sprecher Bernd Jünke, war das Programm ausgebucht. Inzwischen sind in Ulm und Neu-Ulm Solarkraftwerke mit zusammen 234 Kilowatt Leistung installiert. Soviel schafft unter vergleichbaren Bedingungen kein „Grüner Tarif“.

Ähnlich ist es im badischen Pforzheim. Dort wird jede Neuanlage mit einem Investitionszuschuß von bis zu 95 Prozent von den Stadtwerken gefördert. Der Einspeisetarif von rund 17 Pfennig je Kilowattstunde ist damit kostendeckend – und sehr beliebt: „Wer jetzt einen Antrag stellt, kann erst 1999 zum Zuge kommen“, sagt Rainer Pfrommer von der Pforzheimer Energieberatung. An Interessenten mangelt es also kaum, höchstens am Geld.

Auch von kleineren Stadtwerken wird die kostendeckende Vergütung mit viel Erfolg praktiziert. Im schwäbischen Balingen bezahlen die Stadtwerke ebenfalls bis zu zwei Mark je Kilowattstunde Solarstrom. Die 16.000 Tarifkunden haben bereits 122 Kilowatt Photovoltaik installiert. Leider gibt es hier eine Obergrenze von 200 Kilowatt, denn eine Förderung für weitere Anlagen läßt das baden-württembergische Wirtschaftsministerium als Strompreisaufsicht nicht zu. „Im kommenden Herbst werden wir an der Grenze angelangt sein, dann ist das Programm am Ende“, sagt der stellvertretende Verkaufsleiter, Günter Mutscheller. Eine absurde Situation: Abbruch nach zwei Jahren, weil es so erfolgreich ist. Das wird allen anderen Stadtwerken früher oder später ähnlich gehen, wenn die Wirtschaftsminister der Länder nicht bald ein größeres Fördervolumen zulassen.

Aber weil viele Stromversorger noch nicht einmal das Kontingent fördern, das die Länder ihnen zugestehen, setzen sich in vielen Städten Bürger für ein brauchbares Solar-Förderprogramm ein. In Köln zum Beispiel will die Umweltorganisation „Kristall“ mit einem Bürgerbegehren die Stadtwerke zur kostendeckenden Vergütung zwingen. Beim RWE sind es bereits einige kommunale Aktionäre, die ein effektives Förderprogramm verlangen. Zuletzt erhielt der Antrag für kostendeckende Vergütung 16 Prozent auf der RWE-Hauptversammlung – soviel hat ein ökologisch motivierter Antrag in Deutschland nie zuvor auf einer Aktionärsversammlung erzielt. Für Henry Mathews vom Dachverband der Kritischen Aktionäre ein „geschichtsträchtiger Erfolg“.

Inzwischen gibt es bundesweit schon mehr als 50 Städte, die eine kostendeckende Vergütung zahlen – fast überall wird das Programm hervorragend angenommen. Wer sein Solar-Förderprogramm nach spätestens drei Jahren nicht ausgeschöpft hat, muß sich Marketingfehler vorwerfen lassen. Ausgeschöpft sind die Programme – so eine Faustregel – bei etwa 10 Kilowatt je 1.000 Haushalte. Das ist zwar noch immer ein niedriger Wert – und trotzdem wird ihn mit dem „Grünen Tarif“ wohl nie ein Stromversorger erreichen können.

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