: Produkte der Aufrüstung
Das Spionageflugzeug U2 ist ein Produkt der sogenannten Raketenlücke, die amerikanische Militärstrategen Mitte der fünfziger Jahre ausgemacht zu haben glaubten: Die Sowjetunion sollte mehr mit Atombomben bestückte Langstreckenraketen aufgestellt haben als die Vereinigten Staaten.
Der damalige Präsident Eisenhower, der nicht gern Gefangener des von ihm so benannten militärisch-industriellen Komplexes sein und eine neue Runde des Wettrüstens verhindern wollte, schlug der Sowjetunion eine Politik des offenen Himmels vor: Jede Seite sollte berechtigt sein, die Territorien der anderen zu überfliegen und sich über den Stand von deren Rüstung zu informieren.
Die Sowjetunion war für diesen Plan nicht zu gewinnen. Also erging der Auftrag an Amerikas Flugzeugindustrie, ein unerreichbar hoch fliegendes Spionageflugzeug zu entwickeln. Lockheed baute 1954 in acht Monaten einen Prototyp und erhielt den Zuschlag für den Bau der U2. Zwanzig solcher Flugzeuge kaufte die CIA. Sie waren mit hochsensiblen Kameras ausgestattet.
Moskau wurde erstmals 1955 überflogen. Die U2, die eine Höhe von 21 Kilometern erreichte, sollte 1960 erstmals die Sowjetunion in ihrer Gesamtheit überqueren. Ihr Abschuß bei Swerdlowsk war der dritte große Schock, der Amerikas Selbstbewußtsein und Verteidigungsstrategie erschütterte: Der erste war die Zündung einer sowjetischen Atombombe 1951, der zweite die Erdumrundung des sowjetischen Satelliten Sputnik 1957. Nach dem Abschuß wurden alle U2- Maschinen von Flughäfen in Pakistan und der Türkei in die USA zurückverlegt.
Seit ihrem ersten Einsatz ist die U2 und vor allem ihre Ausrüstung mehrfach verbessert worden. Sie ist heute um 20 Prozent größer und fliegt schneller und höher. Zeitweilig sollte sie durch die mit dreifacher Überschallgeschwindigkeit fliegende SR71 ersetzt werden. Eine SR71-Mission jedoch kostet eine Million Dollar, eine U2-Mission hingegen 100.000.
Die U2 spielt heute in der Überwachung der Waffenstillstandsvereinbarungen mit dem Irak wieder eine Rolle. Saddam Hussein wollte U2-Flüge über irakisches Territorium untersagen und drohte mit Abschuß – eine Drohung, die er bisher nicht wahr gemacht hat. Sei es, weil das Flugzeug nach dem heutigen Stand der Technik wieder unerreichbar hoch fliegt, sei es, weil der Irak die Konfrontation nicht riskieren will.
Fernaufklärung durch Flugzeuge ist auch im Zeitalter der Satelliten nicht überflüssig. Während Satelliten die Erde auf vorbestimmten Bahnen umrunden und sich ihre Aufzeichnungen nur nach einer Vielzahl von Runden zu einem Gesamtbild fügen, können Flugzeuge kurzfristig ausgesuchte Ziele überfliegen.
Die U2 ist inzwischen fast 50 Jahre alt und soll bald ausgemustert werden. Welches Flugzeug sie ersetzen soll, ist nicht in Erfahrung zu bringen. pt
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