: Auch der Lauschangriff geht in die Umlaufbahn
■ Satellitengestütze Telefonnetze kennen keine Ländergrenzen. Weltweit befürchten die Fahnder den Verlust von Abhörmöglichkeiten, weil sie keine nationalen Ansprechpartner finden
Die schöne neue satellitengestützte Telefonwelt läßt die Fahnder aller Länder erschauern. Sie fürchten, beim Lauschen zu kurz zu kommen. Schon Mitte 1995 hielt beispielsweise eine Expertengruppe beim Rat der Europäischen Union in einem Bericht fest: „Diese neuen Systeme bieten dem organisierten Verbrechen sowie Personen, die eine ernste Gefahr für die Sicherheit oder das wirtschaftliche Wohlergehen eines Landes darstellen, einzigartige Möglichkeiten. Für die polizeiliche Ermittlungs- und Abhörtätigkeit stellen sie jedoch ein ebenso einzigartiges Problem dar.“
Die Schwierigkeit der Ermittler: Satellitengestützte Systeme kennen keine Landesgrenzen. Bisher erfolgt die Überwachung von Telefonen, Faxgeräten oder Telexverbindungen jeweils unter nationaler Regie. Der richerliche oder staatsanwaltliche Abhörbeschluß wird dem zuständigen Dienste- Anbieter zugestellt und der ist durch das nationale Recht zur Mitarbeit vergattert.
Die neuen Satellitennetze sollen aber nun in ganz Europa über jeweils nur eine Bodenstation, einen sogenannten Zusammenschaltpunkt, verfügen. Der Alptraum der Ermittlungsbehörden ist daher, daß die Betreiber dieser neuen Systeme von der normalen Rechtsprechung ihres Landes nicht erreicht und die Abhöranordnungen in der Folge nicht mehr ausgeführt werden können.
Vorsichtig haben die Brüsseler Beamten deshalb auch schon bei den in Frage kommenden internationalen Konsortien nachgefragt, was sie denn vom „legalen Abhören außerhalb der Landesgrenzen“ halten. Das Ergebnis ist aus Sicht der Strafverfolger niederschmetternd. Man sei auf die unterschiedlichsten Reaktionen gestoßen, „die von einer rückhaltlosen Kooperationsbereitschaft bis zu einer nahezu völligen Ablehnung selbst gemeinsamer Überlegungen zu diesem Thema reichten“. Als weiteres Problem notieren die EU-Beamten, daß die irdischen Zusammenschaltpunkte der neuen Netze sich zudem in „nicht kooperationswilligen Ländern befinden können“. Abhilfe verspreche nur „eine globale Kooperation bisher ungekannten Ausmaßes“ — die Justiz- und Innenminister der EU wurden „dringend ersucht, sicherzustellen, daß die bestehenden nationalen Bestimmungen überprüft werden und Mittel für eine internationale Kooperation zum legalen Abhören von Gesprächen, die über neue Telekommunikationssysteme geführt werden, entwickelt werden“.
Erste Schritte dazu sind von der Europäischen Union in enger Abstimmung mit den USA bereits auf den Weg gebracht worden. Die 15 Mitgliedstaaten der EU schlossen sich Ende 1996 mit den Vereinigten Staaten, Kanada, Norwegen, Australien und Neuseeland zu einer „Gruppe der 20“ zusammen. In einen „Memorandum of Understanding“ verpflichten sich die zwanzig Staaten gegenseitig, auf ihrem jeweiligen Gebiet sicherzustellen, daß Anbieter satellitengestützter Systeme den Strafverfolgungsbehörden eine Zugang offen halten müssen. Detaillierte Standards wurden in einem Anhang des Memorandums festgelegt. Im Falle einer Abhöranordnung soll so den internatioalen Betreiberkonsortien abverlangt werden, eine „permanente Überwachung in Echtzeit“ zu ermöglichen, Verbindungsdaten zu erfassen und zu speichern und den Behörden „den möglichst genauen geografischen Standort“ des Belauschten mitzuteilen.
Das Memorandum of Understanding steht ausdrücklich anderen Ländern zur Unterzeichnung offen. Die Absicht dabei ist offensichtlich: Mit jeder weiteren Unterschrift einer Regierung verliert der Alptraum der Ermittler etwas von seinem Schrecken. Wolfgang Gast
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