Analyse
: Nagelprobe für Lebed

■ Ob das Gouverneursamt zum Sprungbrett wird, ist noch unklar

Nach dem Sieg von General Alexander Lebed bei den Gouverneurswahlen in Krasnojarsk fragt sich die Moskauer Öffentlichkeit nun, was dies für die Zukunft des Landes bedeutet. Lebed schlug in einer Stichwahl den bisherigen Gouverneur der Region, Waleri Subow, mit 57 zu 38 Prozent der Stimmen. Bei den Parlaments- und Präsidentschaftswahlen erwies sich die Entscheidung der Wähler in der Provinz Krasnojarsk jeweils im nachhinein als identisch mit den landesweiten Ergebnissen. Wird Lebed also auch bei den nächsten russischen Präsidentenwahlen siegen?

Experten halten diesen Schluß für voreilig. Sie gehen davon aus, daß die EinwohnerInnen diesmal mit ihrer Stimme protestiert haben, weil sie sich vom Zentrum ausgebeutet fühlen. Das an wertvollen Rohstoffen reiche Gouvernement gehört zu den wenigen „Gebern“ in der Föderation. Unter deren über achtzig Mitgliedern steht es aber im Hinblick auf den Lebensstandard nur an 29. Stelle. Moskau hat es bisher nicht für nötig gehalten, der Landwirtschaft in der Region auf die Beine zu helfen. Die Frage stellt sich also anders: Ist es für Lebed überhaupt möglich, dieses Territorium als Sprungbrett ins Präsidentenamt zu nutzen? Bei aller Selbstzufriedenheit weiß Lebed, daß er jetzt jede Hilfe nötig hat. Der Exgeneral, der noch vor drei Jahren mit dem Pinochet-Regime geflirtet hatte, gab sich nach der Wahl als Liberaler reinsten Wassers und wies jeglichen Nationalismus weit von sich. „Die Zeit der Diktatoren ist vorbei“, sagte Lebed. Selbst den Subow- treuen Beamten, deren Reihen er noch kürzlich „heftig durchzuschütteln“ versprochen hatte, bot er die Hand zur Versöhnung: „Schon morgen wird kein Unterschied mehr zwischen Subow- und Lebed-Anhängern gemacht.“

Trotz dieser moderaten Haltung wird Lebed den Ruch eines potentiellen autoritären Herrschers nicht los. Auch des Generals beharrliches Schweigen über die Geldquellen für seine Wahlkampagne stärkt nicht gerade das Vertrauen der an demokratischen Reformen interessierten Kreise in seine Figur. Man munkelt, Lebed sei nicht zuletzt von den Krasnojarsker Aluminiumwerken finanziert worden. Das Unternehmen gilt als Pfründe der Brüder Tschorny, die als Mafia- Bosse gesucht werden. Bei dem Versuch, sich in Krasnojarsk als Verwaltungsfachmann Sporen zu verdienen, könnte sich Lebed leicht die Zähne ausbeißen. Daß Waleri Subow, ein Jelzin-Bundesgenosse, in diesem Wahlkampf kaum Hilfe vom Zentrum erhielt, ließe sich damit erklären, daß eine solche Entwicklung fast allen Fraktionen in Moskau gelegen käme. Lebeds einstiger rechter Rivale, Wladimir Schirinowski, krähte denn auch gleich: „Jelzin hat ihn da in einen Sumpf hineinschlittern lassen, in dem er sich nicht einmal in zwanzig Jahren zurechtfinden wird.“ Barbara Kerneck