: WTO liberalisiert nicht weiter
Clinton möchte, daß die Welthandelsorganisation Umwelt- und Sozialaspekte stärker berücksichtigt. Rexrodt lehnt dies ab und beschimpft lieber die taz ■ Aus Genf Andreas Zumach
Ohne Konsens über die weitere Liberalisierung des Welthandels geht heute in Genf die dritte Ministerkonferenz der Welthandelsorganisation (WTO) zu Ende. Ebenso uneinig waren sich die 132 Mitgliedsstaaten auch über die Forderung nach mehr Transparenz in der WTO und die Frage, in welcher Form künftig Umweltaspekte und Sozialstandards berücksichtigt werden sollen.
Während zugleich die Staaten auch das 50jährige Bestehen des WTO-Vorläufers Gatt (Allgemeines Zoll- und Handelsabkommen) feierten, demonstrierte „Peoples Global Action“, ein internationales Bündnis von Bauernverbänden, Frauen- und Umweltorganisationen, GewerkschafterInnen und ethnischen Gruppen gegen den globalen Freihandel und für die Auflösung der WTO.
Ab Ende 1999 wollen die WTO- Mitglieder über die weitere Liberalisierung des Handels mit Dienstleistungen und Agrargütern verhandeln. Die EU und Japan plädieren jedoch jetzt für eine umfassende neue Verhandlungsrunde, in der im Paket über Landwirtschaft und Dienstleistungen, aber auch über den weiteren Abbau von Zöllen, Richtlinien für Auslandsinvestitionen, eine weltweite Wettbewerbsordnung sowie über mehr Transparenz und Wettbewerb bei der Vergabe von Regierungsaufträgen verhandelt werden soll.
Doch die USA wollen über die jeweiligen Themen lieber einzeln verhandeln. Die Regierung in Washington sieht hinter der Forderung nach einem Verhandlungspaket in erster Linie den Versuch der EU, Vereinbarungen über den weiteren Abbau von Agrarsubventionen so lange wie möglich hinauszuschieben.
Die meisten Staaten des Südens, vor allem aus Asien und Afrika, lehnen neue Liberalisierungsverhandlungen derzeit noch völlig ab und fordern zunächst die vollständige Umsetzung aller bestehenden Vereinbarungen. So beschwerten sich führende Textilproduzenten wie Indien, Malaysia oder Pakistan darüber, daß die EU, die USA und Japan die vereinbarte Frist bis 2.005 für den Abbau von Einfuhrzöllen auf Textilprodukte bis zum Äußersten ausreizen. Ob überhaupt neue Liberalisierungsverhandlungen stattfinden, soll jetzt auf der nächsten WTO-Ministerkonferenz Ende 1999 in Washington entschieden werden.
Clinton forderte in seiner Rede mehr Transparenz bei den WTO- Beratungen, die sofortige Veröffentlichung von Entscheidungen der WTO-Schiedsgerichte sowie die Einrichtung von WTO-Foren mit Verbraucher- und Umweltorganisationen, Gewerkschaften und Unternehmerverbänden.
Als „Blütenträume“ wertete jedoch Bundeswirtschaftsminister Günter Rexrodt das Plädoyer von US-Präsident Clinton, durch eine verbesserte Zusammenarbeit von WTO und Internationaler Arbeitsorganisation (ILO) „sicherzustellen, daß der freie Handel zu einer Verbesserung von Lebensbedingungen beiträgt und die grundlegenden Arbeits- und Sozialstandards respektiert“. Nachdem auch Großbritannien seine Bedenken gegen diesen Ansatz aufgegeben hat, ist Rexrodt in dieser Frage in der EU inzwischen allerdings völlig isoliert.
Clinton mahnte auch eine stärkere Berücksichtigung von Umweltaspekten durch die WTO an – schließlich nennt die Präambel des WTO-Vertrages „nachhaltige Entwicklung“ als ein Ziel des freien Handels. „Das Recht souveräner Staaten, Standards zum Schutz von Gesundheit, Umwelt, Sicherheit und Artenvielfalt festzulegen und durchzusetzen, auch wenn diese über den internationalen Normen liegen“, dürfe durch internationale Handelsverträge nicht eingeschränkt werden. Rexrodt ließ sich nur ganz vage ein, Umwelt gehöre „auf die Tagesordnung der WTO“. Auf Nachfragen des taz-Korrespondenten nach genaueren Vorstellungen hierzu wurde der Minister ausfällig, mokierte sich über „Fragen aus dieser Ecke“ und schimpfte schließlich zum Befremden seiner Begleiter vehement auf „die Scheiß-taz“.
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen