Analyse: Bill Gates fassungslos
■ Kartellklage gegen Microsoft soll Wettbewerb und Innovation retten
Der Kampf Bill Gates vs. the USA ist seit vorgestern eröffnet. In zwei Antimonopolklagen werfen das US-Justizministerium sowie 20 US-Bundesstaaten Microsoft vor, den freien Wettbewerb in der Software-Industrie zu unterdrücken und Innovation zu behindern. Einem solch drastischen Angriff waren in den letzten Jahrzehnten nur IBM und der Telefonkonzern AT&T ausgesetzt. Fassungslos steht Bill Gates im Ring, entschlossen, keinen Fußbreit nachzugeben, sieht er doch Microsofts Tun als Wohltat für die Menschheit. Doch das US-Justizministerium befürchtet, daß eine ganze Branche zu Zulieferern für Microsoft degradiert wird.
Mit dem ersten De-Facto-Monopol im Rücken – rund 90 Prozent aller PCs weltweit laufen mit Microsofts Betriebssystemen MS-DOS oder Windows 95 – arbeitet Microsoft auf ein umfassenderes Monopol hin: die Verbindung von Betriebssystem, Internet- und Multimedia-Software. Wann immer ein Software-Unternehmen ein neues Marktsegment eröffnet, in dem Microsoft noch keine Bedeutung oder die Entwicklung schlicht verschlafen hat, bläst der Konzern aus Seattle zum Angriff. Ist der Marktneuling ein vergleichsweise kleiner Fisch, wird er geschluckt. So hat Microsoft beispielsweise im letzten Jahr Web TV gekauft, dessen Programm das Internet ins Fernsehgerät holt. Handelt es sich um einen größeren Brocken, kommt zunächst eine freundliche Umarmung. Das Justizministerium will Beweise haben, nach denen Bill Gates Netscapes Marc Andreessen Marktabsprachen bei den Internet-Browsern vorschlug, zu einer Zeit, als Netscape noch Marktanteile von über 80 Prozent hatte. Der vorgeschlagene Deal, den Bill Gates als „himmelschreiende Lüge“ bezeichnet, kam nicht zustande, und Microsoft fuhr scharfe Geschütze auf. PC-Hersteller, die Windows 95 in ihren Geräten installierten, durften nicht den Browser von Netscape, wohl aber Microsofts Internet Explorer installieren. Im neuen Betriebssystem Windows 98 ist er nicht länger Zusatz, sondern integraler Bestandteil.
Das Zusammenschweißen von Internet- und Multimediasoftware mit dem Betriebssystem soll den technischen Standard für einen sich gerade entwickelnden Online-Kapitalismus schaffen. Microsoft, nach dem Börsenwert von rund 240 Milliarden Dollar das zweitgrößte Unternehmen weltweit, hat als einziger Software-Konzern die Mittel, dies auch zu schaffen. Für die Kläger bedeutet das: Entweder es gelingt in einem Vergleich, Microsoft diesen Wunsch auszureden. Dann darf Microsoft seine Programme nicht länger bündeln. Oder der Konzern wird, wie vor ihm AT&T, zerlegt, beispielsweise in ein Unternehmen für Betriebssysteme und eins für Anwendungsprogramme. Beide müßten dann als Konkurrenten gegeneinander antreten. Niels Boeing
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