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Die Warschauer kämpfen um ihre Hauptstadt-Metro

■ Die Ankündigung, den Weiterbau der U-Bahn einzustellen, erhitzt in der polnischen Hauptstadt die Gemüter. Jetzt will der Bürgermeister doch die nächste Station eröffnen

Warschau (taz) – Fast hätte Warschaus Bürgermeister seinen Hut nehmen müssen. „Laßt uns statt der Metro doch eine neue Straßenbahn bauen“, hatte er am 15. Jahrestag des ersten Spatenstiches für die „Hauptstadt-Metro“ vorgeschlagen. Die Metro aber ist für die Warschauer noch wichtiger als das Königsschloß. Tausende griffen zum Telefon: „Idiot“, brüllten sie, „ab in die Psychatrie!“ Manche vermuteten hinter dem Vorschlag eine späte „Rache der Krakauer“ für den Verlust des Hauptstadtstatus vor 400 Jahren.

Der Bürgermeister von Warschau solle doch nach Krakau ziehen, wenn er von diesen „Krähwinkel-Stadtplanern“ so begeistert sei. Ein anderer befürchtete: „Ganz Europa wird sich den Bauch halten vor Lachen“. Bei der Zeitung Gazeta Wyborcza wurden an einem Tag fast 700 Anrufe notiert, genau 643 waren für den Weiterbau der U-Bahn. Wochen zuvor hatte eine Umfrage gezeigt, wie sehr die Warschauer an „ihrem Kind“ hängen. Viele Befragte hatten über den Fragebogen gekrakelt: „Kocham metro – Ich liebe die Metro“.

Verstehen kann diese Liebe nur, wer die „Phönix aus der Asche“-Geschichte Warschaus kennt. Nach dem Zweiten Weltkrieg war die Hauptstadt Polens eine Trümmerwüste. Mit dem Mut der Verzweifelten studierten die Warschauer die Gemälde von Canaletto und bauten danach ihre Altstadt wieder auf.

Angeblich, so heißt es zumindest in einer Legende, hatte Stalin das neue „Brudervolk“ in Polen mit einem Hauptstadtgeschenk beglücken wollen, einem Kulturpalast oder einer modernen Metro, die die Arbeitermassen in „Stalin- Zügen“ zu den Produktionsstätten bringen sollte. Wenig begeistert entschieden sich die Polen für den Palast. Die Metro aber wollten sie selber bauen. Das war gewissermaßen Ehrensache: „Polak potrafi“ – „Ein Pole schafft alles“. Die Pläne lagen dann Jahrzehnte in der Schublade. 1983, als die Stimmung nach dem Verbot der Gewerkschaft Solidarność am Boden lag, schickte General Jaruzelski einige Ingenieure nach Moskau und Leningrad. Sie sollten sich die U-Bahnen ansehen. Breschnew hatte Hilfe zugesagt, die Leitung sollte in polnischen Händen liegen.

Beim ersten Spatenstich im April 1983 mischte sich bereits ein ironischer Unterton in das stolze „Polak potrafi“. Der Bau begann mitten in der Pampa. Immer wieder stockte der Weiterbau, fehlte es an Geld und Material, schwamm den Metrobauern der Warschauer Fließsand unter den Füßen davon. Das langsam vergammelnde „Elefantenklo“ vor dem Kulturpalast wurde den Warschauern peinlich. Die Metro drohte sich in eine gewaltige Bauruine zu verwandeln.

Jetzt, nach 15 Jahren, da das Elefantenklo als größte Metrostation eröffnet werden soll, will der Bürgermeister das Projekt kippen! Für eine U-Bahn-Linie könne man drei Straßenbahnlinien bauen, hatten Krakauer Verkehrsexperten ausgerechnet. Der Volkszorn ließ Eierhändler bereits gute Geschäfte wittern, doch Bürgermeister Świecicki teilte dem Volk rechtzeitig mit: „Man hat mich falsch verstanden“. Die Krakauer Verkehrsexperten schickte er zurück in den „Krähwinkel“. Nächste Woche will er nun die zwölfte U-Bahn-Station, das „Zentrum“, eröffnen. Und der Triumph wird unüberhörbar sein: „Polak potrafi“! Gabriele Lesser

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