: „Hochschulen sind in diesem Sinne keine demokratischen Einrichtungen“
■ Die Gremien-Universität ist gescheitert: Mit dem Centrum für Hochschulentwicklung, einem Ableger der Bertelsmann-Stiftung, treibt Klaus Neuvians auch in Bremen die Reform voran
taz: Geht es nicht an die Grundfesten des deutschen Hochschulwesens, wenn Sie Professoren das Forschen verbieten wollen?
Klaus Neuvians, stellvertretender Geschäftsführer des CHE: Das will ja keiner. Unsere Vorschläge zielen darauf ab, nicht von vorneherein zu sagen, jeder der lehrt, soll auch zugleich forschen und umgekehrt. Es kann ja Lebenszyklen geben, in denen sich der eine stärker der Lehre widmet und der andere mehr der Forschung.
Jemand muß sagen, Professor Meier forscht jetzt und Müller muß Lehre machen.
Der Fachbereichsrat soll das einvernehmlich entscheiden. Es soll getragen werden durch eine Diskussion in der Hochschule, so wie wir das in der Hochschule Bremen machen. In einem Leitbild soll manifestiert werden, daß Forschung einen hohen Stellenwert hat.
Aber da sind ja Konflikte zu erwarten. Wie sollen die Entscheidungskompetenzen an der Hochschule verteilt sein?
Ich will nicht, daß der Rektor entscheidet. Wenn der Fachbereichsrat einem guten Forscher die Forschungsmöglichkeiten nimmt, wird dieser Mensch die Hochschule verlassen. Wenn eine Hochschule interessiert ist, gute Forscher zu halten, wird es da einen Zwang zur Einigung geben. Das Entscheidende an unserem Konzept ist aber, daß wir einen Hochschulrat vorschlagen zur Stärkung der Autonomie. Aufgaben des Staates gehen weg zur Hochschule hin an den Hochschulrat. Und die Hochschule selbst gibt auch Aufgaben an den Hochschulrat.
Ist nicht ein Hochschulrat ein Verlust an Demokratie? Man setzt doch Leute in so ein Gremium, die nicht kontrolliert sind von der Hochschulöffentlichkeit.
Ich kann diese Kritik bedingt akzeptieren. Aber Hochschulen sind in diesem Sinne keine demokratischen Einrichtungen. Hochschulen sind in wesentlichen Fragen vor allem Unternehmen, in denen 50 bis 500 Millionen Mark im Jahr ausgegeben werden. Das kann man nicht nach demokratischen Grundsätzen – vor allem nicht unter den Bedingungen einer Gremienkultur – leiten. Hier müssen entscheidende Personen auch dingfest gemacht werden können. Gremien sind tendenziell verantwortungslos.
Wenn entschieden wird, beispielsweise das Fach Nautik abzubauen, dann kann man doch vom Fachbereich Nautik nicht erwarten, das umzusetzen.
Es hätte Aufgabe der Ministerien oder der Politik sein müssen, solche strategischen Entscheidungen zu treffen. Diese hat die Politik nicht getroffen. Politik hat sich vielmehr in Details der Hochschule eingemischt. Deswegen müssen wir einen relativ unabhängigen Hochschulrat haben, der auch solche schmerzhaften Entscheidungen trifft.
Aber in dem Fall muß es doch eine Weisungsbefugnis geben ...
Das geht nicht über Weisung, sondern über Gespräche und künftig über Mittelverteilung. Wenn der Rektor die Haushaltskompetenz hat und nicht der Akademische Senat, dann werden etwa bei Nautik freiwerdende Stellen in andere Bereiche verlagert.
Das passiert an der Hochschule Bremen sowieso schon. Neue Studiengänge werden mit Stellen aus anderen Fachbereichen aufgebaut. Aber dafür gibt es keine Grundlage, keine Verabredung, daß man das macht. So kommt es immer wieder zu Konflikten.
Genau. Es gibt offensichtlich keine längerfristige Planung, sondern Vorstellungen im Rektorat, wie man das machen könnte. Das kann auch nur einer machen, der solange im Amt ist wie Ronald Mönch und seinen Laden so gut kennt. Aber diese Prozesse sind langwierig und hängen sehr von Zufällen ab. Allerdings läuft das bisher immer mit der Zustimmung des Akademischen Senats.
Mit den Fachbereichen soll das Rektorat bestimmte Zielvereinbarungen abschließen.
Zielvereinbarung setzt voraus, daß Hochschulentwicklungspläne der einzelnen Fachbereiche vorliegen, also Strukturpläne, die es noch nicht in jedem Fachbereich gibt. Die müssen dann miteinander abgestimmt werden, das gibt dann einen Hochschulentwicklungsplan als rationales Ergebnis einer strategischen Planung. Auf Grundlage der vorliegenden Fachbereichsentwicklungspläne wird dann eine Zielvereinbarung getroffen. Bisher wurden schöne Pläne gemacht, die verschwanden dann aber in der Schublade. Wenn ein Fachbereich 500.000 Mark bekommt, dann muß man auch festlegen, was damit erreicht werden soll.
Welche Rolle soll ein Akademischer Senat spielen, der ja bisher ein demokratisch legitimiertes Gremium ist?
Der Akademische Senat ist für Grundsatzangelegenheiten zuständig. Wenn es darum geht, ein Modell zu entwickeln über neue Kriterien für die leistungs- oder anreizorientierte Verteilung der Mittel, dann ist es Sache des Senats, zu sagen, Rektorat, mache einen Vorschlag. Wie das im einzelnen aussieht, das ist eine Entscheidung des Rektorats. Man muß da ganz sauber entscheiden, was sind Grundsatzangelegenheiten: Für mich gehört dazu die Berufung der Hochschullehrer, die Entscheidung über Listen, die Auflösung und Neueinrichtung von Studiengängen. Im Moment geht das durch den Senat und geht dann ans Ministerium. Wir meinen, das Ministerium hat da nichts zu entscheiden. Weil der Staat bis ins Detail eingreift, ziehen die Leute sich zurück und sehen die Autonomie nicht mehr als korporative Autonomie, sondern als individuelle. Die denken dann, forschen und lehren zu können, ohne sich im Verbund des Fachbereis zu organisieren und zu orientieren.
Aber wer ist die Hochschule, solange die Machtverteilung noch nicht festgelegt ist? Müssen Sie nicht jetzt in die Hochschulgesetze reinschreiben, es werden Hochschulräte eingeführt usw., sonst haben Sie ständig Ärger mit den Professoren, die ja Macht abgeben sollen?
Zunächst müßte im Hochschulgesetz eine Möglichkeit geschaffen werden, solche Instrumente wie einen Hochschulrat einzuführen. Das Gesetz müßte eine Experimentierklausel zulassen. Ein Gremium der Hochschule, der Verfassungsausschuß, müßte einen Vorschlag machen zur Änderung der Grundordnung. Darin müssen Aufgaben des Rektorats und des Akademischen Senats in ein solches neues Gremium übertragen werden.
Wer entscheidet dann, ob man den Vorschlag annimmt?
Für die Änderung der Grundordnung gibt es Gremien. Die müßten sagen, dieser jetzige Zustand ist für uns alle unbefriedigend, ist mit viel Arbeit verbunden und wenig effektiv, also wollen wir es gleich ganz anders haben. Das würde in der Tat auf den zähen Weg durch die Gremien gehen müssen.
Ist die Reform mit der jetzigen Professorengeneration möglich?
Das müssen wir mit den Leuten machen, die jetzt im Amt sind. Wir müssen Möglichkeiten aufzeigen, die Entscheidungsstrukturen an der Hochschule zu vereinfachen. Diese Gremiensitzungen .... Wir meinen, und das wird uns auch oft von Studierenden vorgehalten, daß die Gruppenuniversität gescheitert ist. Das ist kein Modell für die Zukunft. Wahlbeteiligungen von weniger als 10 Prozent wecken Zweifel an der Repräsentanz der Repräsentanten.
Ist das, was Sie an der Hochschule Bremen machen, ein Modell für andere Hochschulen im Bundesgebiet?
Schon möglich, aber das müßte jede Hochschule selbst entscheiden. Ob sie einen starken Rektor haben will, einen Hochschulrat, ob sie einen Senat oder Konvent will. Fragen: Joachim Fahrun
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