: Wahlen mit Rekordbeteiligung
Reges Interesse an ersten Parlamentswahlen in Hongkong unter Pekinger Hoheit. Oppositioneller Lee spricht von Schritt in Richtung Demokratie ■ Aus Hongkong Sven Hansen
In Hongkong wurde gestern bei den ersten Parlamentswahlen unter chinesischer Hoheit eine Rekordbeteiligung erzielt. Rund 50 Prozent der 2,8 Millionen Wahlberechtigten haben ihre Stimme abgegeben, das sind fast 15 Prozent mehr als bei den Wahlen von 1995 und zehn Prozent mehr als 1991. Dabei waren gestern sieben der 496 Wahllokale wegen schweren Regens zeitweilig nicht zugänglich.
Nach ersten Hochrechnungen gewannen die Demokraten die meisten der zwanzig Sitze des Legislativrats, die direkt gewählt werden. Die Demokratische Partei von Bürgerrechtler Martin Lee kam demnach auf neun, weitere kleine demokratische Parteien auf drei oder vier Sitze. Die restlichen vierzig Sitze des Rats werden von berufsständischen Organisationen und einem 800köpfigen, Pekingfreundlichen Wahlkomitee vergeben.
Allgemein war eine geringe Wahlbeteiligung erwartet worden. Die Kompetenzen des Legislativrats waren nach der Übernahme Hongkongs durch China reduziert worden. Das Wahlsystem war zudem weiter zuungunsten prodemokratischer Parteien verändert worden. Die Regierung wertete die hohe Beteiligung als Legitimierung des unter der chinesischen Hoheit installierten Systems. Hongkongs führender Oppositioneller und Vorsitzender der Demokratischen Partei, Martin Lee, sagte, dies sei der wichtigste Tag in der Geschichte des modernen China. Zum ersten Mal werde bei Wahlen in der Volksrepublik über ein Drittel der Sitze demokratisch entschieden. „Das ist ein kleiner Schritt in Richtung Demokratie in China“, so Lee.
Regierungschef Tung Che Hwa wurde bei der Stimmabgabe von Demonstranten empfangen, die das Wahlsystem kritisierten und zur Abgabe leerer Stimmzettel aufforderten. Tung bezeichnete die Wahlen als wichtigen Schritt für die Verwirklichung der Formel „ein Land – zwei Systeme“, die Hongkong weitgehende Autonomie zusichert. Seine von Peking eingesetzte Regierung stand nicht zur Abstimmung. Die prodemokratischen Parteien, 1995 im gewählten Legislativrat mit 27 Mandaten vertreten, waren aus dem anschließend eingesetzten Übergangsparlament ausgeschlossen.
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