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Der Streit um die Reifeprüfung

Der Beschluß war eine unfreiwillige Kostprobe für das, was an Abiturienten bemängelt wird – die Schwäche in Deutsch: „Die KMK verabschiedet Fortschreibung der Vereinbarung zur Gestaltung der gymnasialen Oberstufe.“ Für diese Formulierung vom Februar 1997 hätte die Konferenz der Kultusminister (KMK) wohl keinen der Punkte bekommen, die in der Kollegstufe vergeben werden. In der neuen Runde des Dauerstreits im deutschen Bildungswesen geht es um die uralte Frage: Was und wie sollen Schüler lernen, damit sie reif sind für höhere Bildung?

Ein Jahr nach diesem Beschluß machen Baden-Württemberg und Bayern Ernst mit der Reform der Kollegstufe. Statt in vier Fächern wollen beide Länder künftig in fünf bzw. sechs Disziplinen die Reife der Kollegiaten prüfen. Mathe, Deutsch und eine Fremdsprache sind dabei obligatorisch. Obwohl offiziell dementiert, lautet der geheime Lehrplan im Süden: weg vom System der Kurse und Punkte, zurück zum Klassenverband, zum verpflichtenden Fächerkanon.

1972 hatte ein zäh erarbeiteter Kompromiß die neue Kollegstufe gebracht. Statt die Zöglinge weiter umfassend für die Reifeprüfung alle Fächer pauken zu lassen, lösten die deutschen Kultusminister die Klassenverbände auf. Sie gestanden den SchülerInnen zu, sich in einem gewissen Rahmen à la carte das Abi zusammenzubauen. Die Wahl war stets auch eine Qual, aber sie befreite von der wüsten Auswendiglernerei, von dem, was Pädagogen schon immer kritisierten: daß keine Schülerin und kein Schüler angesichts der Explosion des Wissens fähig sei, alles zu lernen.

Auch seit der nie einheitlich in allen Bundesländern umgesetzten Kollegstufe hat die Debatte um die „Rettung des Abiturs“ nie aufgehört. Deutsche Schüler sind nicht mehr studierfähig, heißt der gern vorgetragene Vorwurf – der in Wahrheit lediglich dazu dienen soll, die vermeintlich überfüllten Hochschulen zu entlasten.

Die Konservativen unter den Kultusministern sind nämlich halb mit ihrem Wunsch gescheitert, wonach sich Hochschulen per Aufnahmeprüfung ihre Studierenden auswählen dürfen; nur 20 Prozent läßt das neue Hochschulrahmengesetz zu. Also wird jetzt an der Abi- Schraube gedreht.

Auch das ist keine ganz neue Masche. Als in Preußen 1834 die Zugangsprüfungen zu den Universitäten abgeschafft wurden, vereinheitlichte der Staat zwar den Zugang durch eine Reifeprüfung. Gleichzeitig aber wurde das Curriculum verschärft und so das Gymnasien von den anderen Schulen abgegrenzt. Knappe zwei Prozent der Preußen durften das Abitur ablegen, in der Folgezeit Garant für soziale Chancen und Kern des nach „Begabungen“ gegliederten Schulwesens.

Das gibt es noch heute. Aber die gymnasiale Nostalgie einer „Feuerzangenbowle“ wollen wohl auch Wissensfetischisten nicht wieder wachküssen. Nicht mit uns, ließ da sogar der in München ansässige Philologenverband mitteilen. Die Sprachlehrer begrüßten die Stärkung der Fächer Deutsch, Mathe und einer Fremdsprache, beharrten aber auf zwei zusätzlichen Wahlfächern im Abi und dem Kurssystem. Christian Füller

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