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Atomkonzern auf Rekordjagd

HEW-Bilanz: Alles super, wenn da nicht die strahlenden Castoren wären  ■ Von Sven-Michael Veit

Für die Hamburgischen Electricitäts-Werke AG (HEW) war 1997 „das dritte Rekordjahr in Folge“, bilanzierte Vorstandschef Manfred Timm gestern strahlend. Der Umsatz wuchs auf 4,09 Milliarden Mark (1996: 3,96 Mrd.). Der Gewinn kletterte auf 145 Millionen Mark (128), der Aktienkurs stieg im Schnitt auf runde 500 Mark, und die Dividende wird von 20 auf 23 Prozent anschwellen. „Wir sind“, so Timm auf der Bilanzpressekonferenz in der Hamburger Handelskammer, „mit diesen Ergebnissen wirklich zufrieden.“

Die gute Laune im Vorstand des städtischen Atomkonzerns kann auch die leidige Geschichte mit den radioaktiv belasteten Transportbehältern nicht trüben. Sie werde sich, erklärte Timm selbstbewußt, „sehr bald als politisch-ideologischer Skandal“ erweisen, sei aber „radiologisch völlig unbedeutend“. Und überhaupt: „Politische Diskussionen tangieren wirtschaftliche Fragen nicht“.

Erhöhte Strahlungen an einem HEW-Transport vom AKW Brunsbüttel in die französische Wiederaufarbeitungsanlage La Hague seien schließlich erst am Zielort festgestellt worden. „Es gibt keinen Vorwurf, daß der Behälter unser Kraftwerk kontaminiert verlassen hat“, stellte Vorstandschef Timm klar. Nachdem bereits in den 80er Jahren zweimal überhöhte Grenzwerte an HEW-Castoren festgestellt wurden, seien die Behälter technisch verbessert worden. Bis zum jüngsten Vorfall sei seither keine Beanstandung mehr gemeldet worden.

Intensiv würden nun alle möglichen Ursachen für die festgestellten Verunreinigungen geprüft und „sehr bald beseitigt“. Theoretisch, so Timm, könnten die HEW zwar „bis zu einem Jahr“ auf Transporte verzichten und die abgebrannten Brennstäbe in ihren Meilern in Brunsbüttel und Krümmel zwischenlagern. Grundsätzlich aber gebe es zu weiteren Castor-Transporten „keine Alternative“.

Die Vereinigung der „kritischen Aktionäre“ AIDA e.V. sieht hingegen eine „verantwortungslose Informationspolitik“ der HEW, sagte Sprecher Paul Grosse-Wiesmann. Deshalb gebe es nur eine Konsequenz: Timms Rücktritt. Die Stadt Hamburg als größte Aktionärin müsse auf der HEW-Hauptversammlung am 24. Juni eine personelle Erneuerung durchsetzen. Timm reagierte gelassen: „Ich habe mir nichts vorzuwerfen, also bleibe ich im Amt.“

Soviel Standhaftigkeit verspricht hitzige Diskussionen auf der Versammlung. Der Landesvorstand der GAL schloß sich gestern der AIDA-Forderung nach „personellen Konsequenzen“ an. Die „Entlastung des Vorstandes“ sei zur Zeit „mehr als fraglich“.

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