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Zustellung in Slums bei Kapstadt künftig frei Haus

■ Bislang mußten sich Schwarze in Südafrika ihre Post abholen. Ein Pilotprojekt soll das ändern

Johannesburg (taz) – Der Mann trug ein flottes Käppi und eine pralle Umhängetasche. Forsch bahnte er sich mit dem Fahrrad seinen Weg durch Schlaglöcher. Zwei Dutzend johlende Kinder machten ihm das Vorwärtskommen nicht gerade leichter. Der Mann aber nahm seine Aufgabe ernst. Schließlich mußte die Post ausgetragen werden.

Seit vielen Jahren hatten die meisten Bewohner von Khayelitsha, einer Schwarzensiedlung bei Kapstadt, so etwas Exotisches nicht mehr gesehen: einen Briefträger. Der Mann auf dem Fahrrad war kein Geringerer als Südafrikas Postminister Jay Naidoo, der telegen beweisen wollte, daß er es ernst meint mit einer besseren Versorgung der bisher benachteiligten Schwarzensiedlungen.

46.000 Haushalte in den elenden Townships vor Kapstadt wurden auserkoren, um ein Pilotprojekt zu starten: Seit Montag erhalten sie Post – nach Hause. Das ist keineswegs selbstverständlich, denn die ausgewählten Gebiete liegen nicht nur in den No-go-Areas der Apartheidzeit, sondern bestehen überwiegend auch aus Slums. Armselige Hütten, zusammengenagelt aus allem, was die Industriegesellschaft an Abfall produziert, reihen sich hier aneinander. Wasser gibt es fast nie, Strom nur selten und erst recht keine Post nach Hause.

Denn wohin sollte die auch verteilt werden? Die meisten Bewohner der Slums dürften dort gar nicht leben. Allerdings ist der Mangel an Wohnraum auch im demokratischen Südafrika noch so groß, daß die Regierung jetzt gezwungen ist, die illegalen Elendsquartiere mit fester Infrastruktur zu versorgen. Straßennamen indessen gibt es meist noch nicht einmal in den „offiziellen“ Townships. Auch in den von der Apartheidregierung errichteten Reservaten für Nichtweiße war Postzustellung nach Hause eher eine Seltenheit. Gemäß der herrschenden Rassenideologie waren die Townships auf Stadtplänen nur als leere Gebiete eingezeichnet. Man wohnte dann in Haus 536, Block D. Wer seine Post haben wollte, brauchte ein Postfach beim nächsten Postamt, das meist nicht gerade um die Ecke lag.

Das alles soll besser werden. Nun hat die südafrikanische Post nicht gerade den Ruf, ein effizientes Dienstleistungsunternehmen zu sein. Briefe innerhalb Johannesburgs überbringt man am besten persönlich, und auch die meisten Weißen haben ein Postfach beim Postamt, weil dort die Zustellung zuverlässiger ist. Die Verteilung der Postämter aber spiegelt noch alte Zeiten wider. In der Verwaltungshauptstadt Pretoria gibt es 71 Postämter in weißen Wohngebieten, aber nur drei in schwarzen.

Um eine bessere Versorgung aufzubauen, behalf sich die ANC- geführte Regierung vorerst oft mit Provisorien. Überall in den Townships gibt es neuerdings Container mit abschließbaren Postfächern. Wer nachweisen kann, daß das die erste Anschrift seines Lebens ist, muß anfangs nicht einmal etwas für den Service bezahlen. Neben dem Bau von neuen Postämtern soll vor allem auch die Zustellung nach Hause verbessert werden. In der Provinz West-Kap rund um Kapstadt sollen in den kommenden zwei Jahren 200.000 Haushalte in den Genuß kommen. „Zugang zum Postnetz darf nicht mehr länger ein Privileg von wenigen sein“, verspricht Minister Naidoo. Ein ganzes Kapitel in einem Gesetzentwurf zur Neuordnung der Post befaßt sich mit der Aufhebung von rassistischen Ungleichheiten.

Ähnlich ambitioniert will er die Versorgung mit Telefonleitungen vorantreiben. Nun ist Südafrika, gemessen an anderen afrikanischen Staaten, zwar ein Kommunikationsparadies. Etwa zwölf Millionen Anschlüsse gibt es südlich der Sahara, fünf davon liegen in Südafrika. Doch die Versorgung in den Schwarzensiedlungen ist immer noch miserabel. Drei Millionen Anschlüsse sollen in den nächsten Jahren dazukommen. Denn, so weiß der Minister, der Zugang zu Kommunikationsnetzen ist im „global village“ ein Menschenrecht. Kordula Doerfler

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