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Der Logokrat gegen die Pavianokratie

■ Literat, Philosoph, Jurist, Demokrat, Pazifist und leidenschaftlicher Schimpfer: Ein Buch und eine Ausstellung über den zu Unrecht vergessenen Kurt Hiller

Sanfte Worte waren seine Sache nicht. Als sich Kurt Hiller nach langen Jahren des Exils 1955 in Hamburg niederließ, war er fast 70 Jahre alt – und kein bißchen ruhiger geworden. An Adenauer wandte er sich in einem Brief mit dem Wunsch, „daß eine dem wahren Interesse des Vaterlands fortgesetzt abträglich handelnde arrogante Null wie Sie raschestens von der politischen Bildfläche verschwinde“.

Der Brief und andere Zeugnisse Hillers letzter „Hamburger Jahre“ sind in einer Ausstellung im Katalogsaal der Staats- und Universitäts-bibliothek zu sehen. Unter dem Titel Zu allererst antikonservativ ist sie einem Mann gewidmet, den die wenigsten kennen. „Kurt Hiller ist vergessen“, bestätigt der Literaturwissenschaftler Rüdiger Schütt, der die Ausstellung gemeinsam mit Wolfgang Beutin erstellt hat: „Viele Leute waren damals sauer auf ihn, vielleicht ist das der Grund.“

Bekannt wurde Hiller zwischen den Kriegen vor allem durch seine harschen Polemiken in der Zeitschrift Die Weltbühne. Doch er war nicht nur Journalist. Getreu seiner Erkenntnis „Der Politik gebricht es an Geist, wie es dem Geist an Politik gebricht“ operierte der 1885 geborene, studierte Jurist an der Schnittstelle zwischen Kunst und Politik. Noch in der Kaiserzeit gab er die expressionistische Gedichtsammlung Der Kondor heraus und veranstaltete „Neopathetische Kabaretts“.

Hiller war Literat, Philosoph und Politiker – doch zuallererst ein radikaler Demokrat, Pazifist und ein Meister hemmungslosen Schimpfens. Den Nazis ein offensichtlicher Dorn im Auge, kam er bereits 1933 ins KZ. 1934 gelang ihm die Flucht nach Prag, dann nach London. Die Heimkehr nach Deutschland verzögerte sich wegen bürokratischer Hindernisse – für Hiller ein beispielhaftes Versagen der Bonner Regierung, die er als „Pavianokratie“ geißelte.

In Hamburg schrieb er unter anderem für Konkret, klagte Alt-Nazis in Amt und Würden an und polemisierte gegen die Springer-Presse. Als „Logokrat“ wollte er mit Mitteln des menschlichen Verstandes ein Paradies auf Erden schaffen. Der eigens hierzu gegründete „Neusozialistische Bund“, dem auch Peter Rühmkorf angehörte, traf sich in Hillers Wohnung in den eben fertiggestellten Grindelhochhäusern. Doch der Zenit seines Schaffens war überschritten, das enge Netz von Kontakten durch die Exiljahre zerrissen.

Nicht vielmehr als eine dunkle Ahnung der Schwierigkeiten von Hillers Hamburger Zeit vermittelt die wenig umfangreiche Ausstellung in der Staatsbibliothek. Was allerdings weniger auf mangelnde Sorgfalt der Ausstellungsmacher zurückzuführen ist als auf ein scheinbar unüberwindbares Hindernis: Ausgerechnet Hillers letzter Lebensgefährte hält den Nachlaß seit Jahren unter Verschluß.

Das Begleitbuch zur Ausstellung kann viele Lücken schließen: Durchweg fesselnd zu lesen beschreiben Zeitzeugen und Wissenschaftler ihr persönliches Verhältnis zum schwierigen Hiller. Und machen die Faszination seiner schillernden Persönlichkeit nachvollziehbar. Was auch immer man von Hiller denken mag – gelangweilt hat er sicher nie.

Sabine Claus

Ausstellung bis 11. Juli; das Begleitbuch (Foto) erscheint demnächst in der „edition fliehkraft“, 180 Seiten,, mit CD, 25 Mark

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