: Lernende Grüne machen sich Mut
■ Bremer Partei einig / Rückenwind durch Atomtransport-Skandal / 5-Mark-Beschluß zeige „falsches Politikverständnis“
Der große Ruck zum Wahlkampfauftakt war es nicht, der die Partei nach monatelangem Abwärtstrend durchzuckte. Dennoch nutzten die Bremer Grünen ihre Landesmitgliederversammlung am Dienstag abend, um Lernfähigkeit zu demonstrieren und sich ihrer eigenen Bedeutung zu vergewissern.
Da kamen die Enthüllungen um die strahlenden Atomtransporte gerade recht: „Die gesellschaftliche Aufgabe für die Grünen ist nach wie vor da“, ermunterte die Spitzenkandidatin Marieluise Beck die ParteigenossInnen. „Das zeigt sich an der authentischen Wurzel der Grünen – an der Atomenergie“.
Um Geschlossenheit zu demonstrieren, hatte die Versammlungsregie den schließlich einstimmig angenommenen Antrag „Atomtransporte stoppen! Sofortiger Ausstieg aus der Atomenergie!“ vorgezogen. Schon für eine andere Politik in diesem Punkt lohne sich ein Regierungswechsel, mahnte die Bundestagsabgeordnete jene Puristen, die das vom Bundesvorstand nach dem Magdeburger Benzinpreis-Debakel geschriebene Kurzprogramm nicht akzeptieren möchten. Statt von fünf Mark für den Liter Benzin ist darin von „steigenden Energiekosten“ die Rede.
Eine kleine Minderheit unter den 90 anwesenden Mitgliedern (von 560) wollte partout grüne Grundsätze und Befindlichkeiten debattieren, während die Mehrheit den Startschuß für den Wahlkampf hören wollte.
Der ehemalige Bürgerschaftsabgeordnete Walter Ruffler forderte, das Kurzprogramm abzulehnen und das auch den Bremer Delegierten für den Länderrat zu empfehlen. Die Parteiführung habe eigenmächtig die vom Parteitag in Magdeburg gesetzten Akzente verschoben. Also sei das 13seitige Papier entweder ein grober Verstoß gegen die innerparteiliche Demokratie oder arglistige Wählertäuschung. Denn aus wahltaktischen Gründen würden hier die echten Ziele grüner Politik verschleiert.
Die Parteiprominenz trat energisch dem Eindruck entgegen, die fünf Mark würden nur aus strategischen Gründen zurückgenommen. Ex-Senatorin Helga Trüpel beschwor die Fähigkeit der Partei, aus Fehlern zu lernen. Auch deswegen sei sie bei den Grünen eingetreten. Bürgerschaftsvizepräsident Hermann Kuhn betonte, seine Überzeugung geändert zu haben.
Spitzenfrau Beck brachte den Sinneswandel der Grünen auf den Punkt: Der Fünf Mark-Beschluß habe die Menschen so empört, „weil dadurch ein Politikverständnis transportiert wird, das die Leute nicht haben“ wollten: „Es ist doch Planwirtschaft, wenn wir sagen, wie in zehn Jahren ein von vielen Faktoren abhängiger Preis aussehen soll“, sagte Beck. Zweitens sei der Eindruck entstanden, den Grünen sei die soziale Frage nicht so wichtig. Am verheerendsten sei ein dritter Punkt: „Wir werben nicht um Mehrheiten. Es wird verordnet, notfalls gegen die Bevölkerung.“
Die innerparteiliche Debatte um das Kurzprogramm sei unsinnig: „Es wird immer Verrat am Programm geben“, sagte Beck. „Politik ist ein Prozeß“. Da ließen sich Programm-Vorgaben nicht buch-stabengetreu erfüllen. „Es geht nicht immer nach Plan, das müssen wir mit dem Herzen akzeptieren. Das ist die Botschaft“.
Am Ende waren die Kontrahenten auf den Geschlossenheitskurs eingeschworen. Gemäßigte Kritiker um den Fraktionsmitarbeiter Thomas Kollande-Emigholz verlegten ihren Antrag, in dem sie das eigenmächtige Vorgehen der Parteispitze in Sachen Kurzprogramm rügen wollten, auf die Zeit nach der Wahl. Walter Rufflers Antrag, das Kurzprogramm abzulehnen, wurde nur von drei Bremer Grünen unterstützt. Joachim Fahrun
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