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Vietnamesen ab nach Tschechien

■ Sozialverwaltung läßt bei asylsuchenden Vietnamesen wahrheitswidrig die Einreise über Tschechien vermerken - das erleichtert die Abschiebung. Verwaltung: Vorwürfe haltlos. Flüchtlinge mit Mini-Deutschkenntni

Am 14. Mai meldete sich der 19jährige Vietnamese N. in der Zentralen Aufnahmeeinrichtung für Asylbewerber (ZAA). Ohne Anwesenheit eines Dolmetschers wurden seine Personalien aufgenommen. Unter „sonstige Angaben“ schrieb der Sachbearbeiter: „Eingereist über Tschechien per Auto.“ Der Vietnamese, der kein Wort Deutsch spricht, unterschrieb, ohne den Inhalt zu kennen. Erst eine Flüchtlingsberaterin übersetzte ihm das Formular. „Der Vietnamese versicherte mir, mit ihm sei über seinen Fluchtweg gar nicht gesprochen worden.“

N. ist offensichtlich kein Einzelfall. Klaus-Jürgen Dahler von der Bürgerinitiative für ausländische MitbürgerInnen Hohenschönhausen erhebt den Vorwurf, die ZAA schreibe vietnamesischen Asylsuchenden regelmäßig Angaben zum Fluchtweg auf die Meldebescheinigung als Asylsuchender. Dahler verweist auf eine 19jährige Frau, bei der ebenfalls vermerkt wurde, sie sei über Tschechien eingereist. Bei ihrem Begleiter wurde eine Einreise über Polen behauptet. In beiden Fällen war kein Dolmetscher anwesend.

Dahler: „Die Frau bekam bald darauf eine Aufforderung, die Bundesrepublik unverzüglich zu verlassen. Die Behörde leitete kein Asylverfahren ein.“ Da Vietnam seine eigenen Staatsbürger nur nach mehrmonatiger Bearbeitungszeit zurücknimmt, wäre die Tschechische Republik in der Pflicht gewesen, die Frau aufzunehmen. Das verhinderte Dahler zunächst, indem er den Asylantrag für die Vietnamesin stellte. Ob in ähnlich gelagerten Fällen VietnamesInnen bereits nach Tschechien abgeschoben wurden, weiß Dahler nicht.

Michael Thiel von der Sozialverwaltung bestätigt, daß bei der Zentralen Aufnahmeeinrichtung für Asylbewerber kein Dolmetscher für Vietnamesisch beschäftigt ist. „Herr N. ist aber in Begleitung eines eigenen Dolmetschers gekommen. Somit war eine Verständigung möglich“, sagt der Amtsmitarbeiter. Eine Einreise über Tschechien hätte der „Dolmetscher“ angegeben.

Die Überprüfung der taz ergab, daß der angebliche „Dolmetscher“ selbst vietnamesischer Asylsuchender ist. Er hatte seinem Landsmann lediglich den Weg zur ZAA gezeigt. Sein deutscher Wortschatz umfaßt etwa 20 Worte. Gegenüber einer Dolmetscherin erklärt er, mit ihm sei über den Fluchtweg nicht gesprochen worden.

Die Tschechische Republik hat sich 1994 gegenüber der Bundesrepublik verpflichtet, Bürger aus Drittstaaten, die ohne gültiges Visum über Tschechien in die Bundesrepublik eingereist sind, zurückzunehmen. Die Bundesrepublik kann die Rückübernahme bis zu sechs Monaten nach der Einreise bei tschechischen Behörden beantragen. Der Flüchtling soll dann sein Asylverfahren in Tschechien abwickeln.

Auch wenn der Asylantrag in Deutschland nach weniger als sechs Monaten als offensichtlich unbegründet abgelehnt wurde – was bei VietnamesInnen nach Angaben von Rechtsanwältin Petra Schlagenhauf, die viele VietnamesInnen im Asylverfahren vertritt, meist der Fall ist –, kann der Vietnamese anschließend nach Tschechien abgeschoben werden. Die deutsche Seite muß allerdings gegenüber Tschechien beweisen, daß der Flüchtling über Tschechien kam. Ob die Unterschrift des Flüchtlings unter eine Erklärung als Beweismittel ausreicht, regelt das Rückübernahmeabkommen nicht. Marina Mai

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