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Der Rubel wankt, aber hält sich

■ Nach Moskauer Krisensitzung erklärt Jelzin: Genug Reserven für Kampf gegen Rubelabwertung vorhanden. Drastische Maßnahmen zur Steuereintreibung angedroht

Berlin (taz) – Rußlands Präsident Boris Jelzin hat gestern versucht, die Finanzmärkte zu beruhigen. Die Zentralbank und das Finanzministerium verfügten über genügend Reserven, die Landeswährung Rubel gegen eine Abwertung zu verteidigen, versicherte Jelzin. Zuvor hatte er Regierungschef Sergej Kirijenko, Finanzminister Michail Sadornow und Zentralbankchef Sergej Dubinin zu einer Krisensitzung in den Kreml berufen. Die Währungsreserven betragen derzeit noch 14 Milliarden US-Dollar, nachdem die Notenbank in den letzten zehn Tagen 1,5 Milliarden für Rubelstützungskäufe ausgegeben hatte.

Am Mittwoch hatte die Zentralbank dann in ihrer Not die Leitzinssätze auf jetzt 150 Prozent verdreifacht, um den Rubel zu verteidigen. Zuvor waren die Kurse an der Moskauer Börse um 10,5 Prozent gefallen. Investoren begannen schleunigst, ihr Kapital abzuziehen, also Rubel zu verkaufen. Der Wechselkurs der russischen Währung, der seit 1996 weitgehend stabil geblieben war, geriet unter starken Druck. Eine Rubelabwertung aber würde Rußland in den Augen von Investoren psychologisch in die Nähe von Indonesien rücken, fürchtet Jelzin. Und die russischen Auslandsschulden – knapp 130 Milliarden US-Dollar – würden, in einheimischer Währung gerechnet, immer teurer.

Gestern begann die Maßnahme schon, Wirkung zu zeigen: Die ersten Anleger kehrten zurück. Die russischen Standardwerte am Aktienmarkt legten um gut zehn Prozent zu. Um jetzt in Rubel zu investieren, muß man dabei nicht einmal besonders risikofreudig sein. „Für Investoren ist das doch ein wahrer Goldregen“, meint Wolfram Schrettl, Weltwirtschaftsexperte beim Deutschen Institut für Wirtschaftsforschung (DIW). „So weit kann der Rubel gar nicht abgewertet werden, daß ausländische Investoren bei diesen Zinsen nicht mit einem Plus herauskommen.“ Den offiziellen Rubelkurs hatte die Notenbank am Mittwoch auf 6,1 Rubel je US-Dollar festgelegt.

Vor allem braucht die Regierung die Devisen der Investoren für ihren defizitären Haushalt; das meiste ausländische Geld wird in Staatsanleihen angelegt und finanziert so durchschnittlich 50 Prozent des Haushalts.

In den letzten Monaten war zudem die andere große Einnahmequelle des Staates nicht mehr recht gesprudelt: Die Erlöse aus Rohstoffexporten gingen wegen des Ölpreisverfalls dramatisch zurück. Bereits am Dienstag hatte Präsident Jelzin daher einen Sparplan gebilligt, der neben Ausgabenkürzungen die Erhöhung von Steuereinnahmen vorsieht.

Bei einem für morgen geplanten Treffen der Steuerkommission, die vor zwei Jahren eingesetzt worden war, um die Steuerhinterziehung zu bekämpfen, würden „einige Köpfe rollen“, kündigte Jelzin an. Kirijenko drohte, der Präsident werde ein Dekret unterzeichnen, das es erlaube, das Eigentum säumiger Steuerzahler zu beschlagnahmen. Die Sicherheitsorgane sollten in schwierigen Bereichen wie beim Eintreiben der Alkoholsteuer und von Zöllen helfen.

Einige Investoren und Wirtschaftsexperten hatten am Mittwoch nach IWF-Hilfe gerufen, weil sie in Rußland eine Wiederholung der asiatischen Finanzkrise befürchteten. Der IWF schickte gestern aber erst mal nur eine Delegation nach Moskau, um den Haushaltsplan für 1998 zu überprüfen. Vorher werde die Auszahlung einer weiteren Tranche aus einem IWF-Kredit von insgesamt 9,2 Milliarden Dollar keinesfalls genehmigt. Die eigentlich bereits für Januar vorgesehene Auszahlung der 670-Millionen-Dollar-Tranche war wegen der schlechten Haushaltsdisziplin der russischen Regierung auf Eis gelegt worden. Nicola Liebert

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