: Schlecht geschossen
■ Wiglaf Droste veröffentlicht das Buch zur Fußball-Weltmeister-schaft und bleibt im Thema gefangen Von Eberhard Spohd
Der Höhepunkt des Jahres ist unaufhaltsam. Das ganze Land fiebert der Fußball-Weltmeisterschaft entgegen und hofft – nach einem Finalsieg der Schwarz-Rot-Gold-Kicker – sich wieder kollektiv in den Armen liegen zu können. Höchste Zeit, daß die Intelligenzija ihre Analysen unter das Volk bringt. Fußballbücher haben Konjunktur. Ein komplexes Genre: Gilt es doch kritisch Vermarktungsstrategien und Hooliganismus auf der einen Seite zu kommentieren und die eigene kindliche Begeisterung am Sport auf der anderen nicht gar zu deutlich werden zu lassen. An dieser Fallhöhe scheitern die meisten. Auch Wiglaf Droste.
In welchem Pott schläft Gott ist der Versuch, sich zusammen mit dem Zeichner Rattelschneck mit dem Phänomen Fußball auseinanderzusetzen. Leider merkt man, daß viele der kurzen Texte bereits als Kolumne erschienen und allenfalls Tagesaktualität besitzen. Schlimmer aber ist, daß Droste sich am Thema verhoben hat. Von ihm erwartet man zurecht mehr als Stänkereien gegen Franz Beckenbauer und die ran-Redaktion. Auch die Gesinnungsaufsätze zu Borussia Dortmund haben nicht die gewohnte Qualität – so ehrenvoll es sein mag, in schlechten Zeiten zu seiner Mannschaft zu stehen. Am enttäuschendsten jedoch sind die Ausführungen über die Menschen, die das Ballgetrete so unsympathisch machen: Anhänger, die sich nicht schämen, betrunken ihre dicken weißen Bäuche der Fernsehnation aufzuzwingen. Daß die Berliner Hools zu einem Teil der rechtsradikalen Szene zuzurechnen sind, ist bekannt. Daß Bier die Droge Nummer eins in den Stadien ist, hat sich ebenfalls rumgesprochen. Daß die Kombination aus beidem eine abstoßende Masse von Menschen bildet – was für eine Erkenntnis. Dazu bedarf es keiner Kolumne von Wiglaf Droste. Von ihm kann man erwarten, daß er sich der Nazis nicht nur beschreibend annimmt.
Aber auch sprachlich kommt er nicht nach. Normalerweise braucht Droste für seine verbalen Standgerichte einen Satz, hier ballert er ins Leere. Die Fußball-Literatur hat sich in langen Jahren eine eigene Sprache erschaffen. Ror Wolfs O-Ton-Montagen bleiben literarischer und sportlich konziser. Nicht die Beschäftigung mit dem Einzelphänomen Spiel bildet die Grundlage, sondern das Abtasten aller Varianten, die der Fußball ermöglicht. Solchem Anspruch wird Droste nicht gerecht.
Wiglaf Droste und Rattelschneck: „In welchem Pott schläft Gott“, Edition Nautilus, Hamburg 1998, 116 Seiten, 26 Mark.
Lesung und Lichtbildvortrag: Dienstag, 2. Juni, 20 Uhr, Abaton-Kino
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen