Internationale Regeln sind gefragt

■ Pornographie-Urteil verunsichert Internet-Anbieter. Union und EU-Kommission setzen auf Eigenverantwortung der Nutzer

München/Bonn/Berlin (AP/ dpa/taz) – Gar „nicht glücklich“ haben sich am Tag nach dem überraschenden Urteil des Münchner Amtsgerichts zu freizugänglicher Pornographie im Internet auch das Bonner Wirtschaftsministerium und Unionspolitiker gezeigt. Ein Sprecher der EU-Kommission erklärte, in Brüssel sei man „erstaunt“, sehe aber ein, daß es international Regelungsbedarf gebe. Die Verbraucher bräuchten „keine Auswirkungen“ zu fürchten, versprachen die Online-Anbieter. Die Branche sei überzeugt, daß das Urteil keinen Bestand haben werde. Die rheinland-pfälzische Jugendministerin Rose Götte (SPD) forderte eine wirksamere Durchsetzung von Jugendschutz im Internet.

Am Donnerstag hatte ein Münchner Amtsrichter den früheren Deutschland-Chef von CompuServe, Felix Somm, für rechtswidrige Inhalte im Internet verantwortlich gemacht und zu einer zweijährigen Bewährungsstrafe verurteilt. Außerdem soll Somm 100.000 Mark an gemeinnützige Einrichtungen zahlen. Die Verteidiger, die wie auch die Staatsanwaltschaft auf Freispruch plädiert hatten, kündigten Rechtsmittel an.

Die mit der Entscheidung geschürte „Unsicherheit bei den Anbietern“ könne „großen Schaden für den Technolgiestandort Deutschland“ mit sich bringen, sagte Bayerns Wirtschaftsminister Otto Wiesheu (CSU). „Das Urteil wird den technischen Besonderheiten der Kommunikationstechnik und des weltweiten Internets nicht gerecht.“ Es lasse vor allem die Grenzen der Verantwortung des Anbieters außer acht. Diese habe die Bundesregierung jedoch erst im vergangenen Jahr in ihrem Informations- und Kommunikationsdienstegesetz geregelt.

Götte hielt dem entgegen, Jugendschutz lasse sich selbstverständlich auch im Internet praktizieren. So hätten die Jugendminister im Sommer 1997 eine länderübergreifende Einrichtung „jugendschutz.net“ gegründet. Eine spezielle Software spüre die brisanten Inhalte auf. Weigern sich Anbieter, ihre Inhalte zu ändern oder Sperren für Jugendliche einzurichten, drohe ein Bußgeld von bis zu 500.000 Mark. Allerdings gilt das nur für Provider, die in Deutschland ansässig sind oder ihre Inhalte über einen deutschen Rechner verbreiten.

Nationale Gesetze reichten nicht aus, hieß es im Bonner Wirtschaftsministerium, zumal sich die technischen Möglichkeiten für die Verbreitung ständig weiterentwickelten. Wie die EU, die einen entsprechenden Aktionsplan verabschiedet hat, halte man es für sinnvoller, auf die Eigenverantwortung der Nutzer zu setzen. Eltern müßten Bereiche für ihre Kinder sperren können.