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Vier Solisten, kein Ensemble

Unis im Umbruch (letzte Folge): Die Debatte um eine Fusion der Kunsthochschulen ist verstummt. Der Hochschule der Künste bleibt die Konkurrenz erhalten  ■ Von Ralph Bollmann

Die Kunsthochschulen sind anders. Zwar essen die Studenten der Hochschule der Künste (HdK) in derselben Mensa wie die angehenden Ingenieure der Technischen Universität. Doch sobald sie die Türen der HdK-Gebäude am Hardenbergplatz passieren, sind sie in einer anderen Welt – in einer Welt nicht der Bücher und Labore, sondern der Ateliers und Probenräume. Auf den langen Gängen der früheren Hochschule für Bildende Kunst riecht es penetrant nach Ölfarbe, Kunst aus eigener Produktion schmückt die Wände des Foyers. Um die Ecke, im Gebäude der einstigen Musikhochschule, dringt durch die Türen das gedämpfte Tremolo einer Sängerin oder das schrille Quietschen einer Violine.

Doch die harten Realitäten des gebeutelten Landeshaushalts gehen auch an der scheinbaren Idylle der Künste nicht vorbei. Strukturpläne, Studienplatzzahlen, Synergieeffekte – das sind auch an der HdK längst keine Fremdworte mehr. Nur ist es in der Welt der Künste noch ein bißchen schwerer als in den Wissenschaften, die Studieninhalte mit ihrer organisatorischen Form auf einen Nenner zu bringen. Deshalb ist es vielleicht kein Zufall, daß der Schreibtisch des HdK-Präsidenten nicht im prächtigen Hauptgebäude steht, sondern in einer schnöden Büro- Etage am Ernst-Reuter-Platz.

Als der Kunsthistoriker Lothar Romain 1996 aus München an die Spitze der HdK wechselte, übernahm er von seinem Vorgänger Olaf Schwencke keine leichte Aufgabe. 1975 aus der Fusion der Westberliner Kunsthochschulen entstanden, konnte die HdK in ihren ersten anderthalb Jahrzehnten – unter dem Präsidenten Ulrich Roloff-Momin – stets aus dem vollen schöpfen. Doch nach dem Fall der Mauer konkurrierten plötzlich die Hochschule für Musik (HfM) „Hanns Eisler“, die Kunsthochschule Berlin-Weißensee (KHB) und die Hochschule für Schauspielkunst „Ernst Busch“ um die Fleischtöpfe. Auf ein Drittel ihrer Stellen und Studienplätze muß die HdK im Zeitraum von 1993 bis 2003 verzichten. Der Erhalt der drei Ost-Hochschulen, nach dem Krieg als Ersatz für die traditionsreichen Kunstakademien in den Westsektoren gegründet, sei „auf Kosten der HdK“ gegangen, sagt Romain.

In die Defensive geriet die HdK auch durch ein Gutachten des Wissenschaftsrats, der neben einem „Profil- und Identitätsverlust“ vor allem eine „inkonsistente, zu Ressourcen- und Studienangebotsdoppelungen neigende Fachbereichsstruktur“ monierte. Mit dieser Kritik rührten die Hochschulexperten an die Gründungsidee der HdK. Als einzige Hochschule in Deutschland vereint sie die vier Sparten Bildende Kunst, Gestaltung, Musik und Darstellende Kunst in einer Institution. Obendrein hat sie den Wissenschaftlern, die sich theoretisch mit den Künsten befassen, den gleichen Rang eingeräumt wie den Künstlern. Mit Promotions- und Habilitationsrecht, sieht sie sich als vierte Universität Berlins – wenn auch als Universität „besonderer Art“.

Um den Anschein zu vermeiden, unter dem neuen organisatorischen Dach lebten die alten Hochschulen weiter, verteilten die HdK-Gründer die vier Sparten auf elf Fachbereiche. Statt einer künstlerischen Gesamthochschule entstand, so sieht es Romain heute, eine Ansammlung von Kleinstuniversitäten. Jeder Studiengang beschäftigte beispielsweise eigene Kunsthistoriker. Deshalb hat der HdK-Präsident eine Strukturreform auf den Weg gebracht, die die vier Sparten wieder in großen Fakultäten vereinigt. Eine Abkehr von der HdK-Gründungsidee sieht Romain darin aber nicht. Er hofft auf einen „geistigen Campus“, der die „Verengung auf einzelne Sparten“ überwinden soll.

Wie die ebenfalls neu gewählten Präsidenten von Humboldt- und Technischer Universität wollte sich Romain nicht mehr als Sparkommissar in der Defensive verschleißen lassen. „Die Berliner Hochschullandschaft war reformbedürftig“, gibt er die neue Sprachregelung der Uni-Chefs wieder, „der Spardruck hat Reformpotentiale freigesetzt.“ Die 2.800 verbleibenden Studienplätze der HdK, dazu die Ost-Hochschulen – das sei eine „solide Größe“ für die Kunstmetropole Berlin. Schlimm sei nicht die Endsumme, sondern die Geschwindigkeit des Abbaus.

Am liebsten wäre es Romain freilich gewesen, die drei Ost- Hochschulen in sein Konzept einer „Kunstuniversität“ integrieren und so die Verkleinerung der HdK ausgleichen zu können. Schließlich hatte er die neuen Fakultäten schon paßgenau zugeschnitten. Doch damit stieß er nicht nur auf den Widerstand der erhofften Kooperationspartner. Auch Wissenschaftssenator Peter Radunski (CDU) und die zuständigen Beamten seiner Verwaltung schienen eher geneigt, im Osten eine attraktive Konkurrenz zum vermeintlichen Tanker HdK aufzubauen.

Einen ersten Schritt zur Zusammenarbeit mit der HdK hat die Musikhochschule jetzt getan. Eine Kooperationsvereinbarung sieht vor, Studienangebote und Projekte auch für Studenten der jeweils anderen Hochschule zu öffnen. Für den Rektor der Kunsthochschule Weißensee, Rainer Ernst, „riecht das geradezu nach möglicher Fusion“. Seinen Plan, die HdK zu zerschlagen, verfolgt Ernst zwar nicht mehr, doch plädiert er für eine „gemeinsame Entwicklungskommission“ der Berliner Kunsthochschulen. Eine bloße Zusammenlegung dagegen bringe nichts, zu unterschiedlich seien die Ausbildungskonzepte. Statt die Spezialisierung wie im Westen immer weiterzutreiben, erhielten in Weißensee alle Studenten eine gemeinsame Einführung in die künstlerischen und theoretischen Grundlagen. „Wir bilden nicht Selbstdarsteller aus, sondern fördern das Ensemblespiel“, unterstreicht auch Prorektor Herbert Minnich von der Ernst-Busch-Hochschule die Unterschiede.

„Wir sind anders“: In diesem Bekenntnis zur Differenz liegt zugleich das Gemeinsame der Kunsthochschulen. Auch auf die Frage, woran sich der Erfolg der Kunsthochschulen denn bemesse, geben alle Rektoren dieselbe Antwort: an der Zahl der Absolventen, die von ihrer Kunst leben können. Elitär, wie den Osthochschulen gerne unterstellt wird, findet der KHB- Rektor diesen Anspruch nicht.

Bisher erschienen: Freie Universität (16.4.), Technische Universität (22.4.), Humboldt-Universität (30.4.), Fachhochschulen (15.5.)

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