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Fliegender Sondermüll

■ Böse Überraschung auf Schießplätzen: Tontauben sind mit zuviel Gift verklebt

Berlin (taz) – „Wir hatten mit Blei aus den Patronen gerechnet“, erinnert sich Detlef Gerdts vom Osnabrücker Umweltamt, „wo das PAK herkommt, haben wir einfach nicht begriffen.“ Aufgeschreckt war die Verwaltung, weil im Boden auf einem Wurftaubenschießplatz in Osnabrück 64 Milligramm pro Kilogramm krebserregende Polycyclische Aromatische Kohlenwasserstoffe (PAK) gefunden wurden. Schnell war klar, schuld am PAK im Boden sind die Tontauben: Eine Analyse der in Osnabrück eingesetzten Wurfgeschosse ergab 292 mg/kg PAK.

Vergleichende Analysen der am Markt gängigen Tontauben zeigen noch höhere Werte: Manche der Wurfscheiben enthalten gleich grammweise PAK. Das Modell „Winner“ enthielt 14.012 mg/kg, Spitzenreiter „Nasta“ trumpfte mit 28.994 mg/kg PAK auf. Auf unserer Hausmülldeponie dürften wir diese Tontauben nicht annehmen“, kommentiert Detlef Gerdts: „Die schießen da massenhaft auf fliegenden Sondermüll.“

In der Tat: In Deutschland werden jährlich 30 Millionen Tontauben in der Luft zerfetzt, in Europa sind es 600 Millionen.

Der Grund für die PAK-Belastung: Heutige Tontauben sind nicht mehr aus Ton, sondern aus Kalkstein mit Pech als Binder. „Pech ist Teer, und das ist so gut wie PAK pur“, erläutert Gerdts. Den Produzenten ist das PAK- Problem durchaus bewußt. Die französische Firma Laporte hat reagiert und bietet eine Tontaube „der neuen Generation“ an: „Der Binder ist schadstoffarm, da sein Gehalt an PAK in der Wurfscheibe 30 mg/kg nicht übersteigt“, schreibt Laporte in seiner Hersteller-Erklärung. Doch das reicht für Detlef Gerdts nicht aus: „Es muß doch möglich sein, PAK-freie Tontauben anzubieten“, fordert er.

Bisher scheiterten alle Versuche, PAK-freien Binder herzustellen, an den von den schießwütigen Schützen gewünschten Eigenschaften: Die Taube soll bei einem Treffer in der Luft regelrecht zerfetzt und nicht nur einfach gelocht werden. So sieht der Schütze direkt seinen Erfolg. Mögliche Schäden für die Umwelt, für Grundwasser, Pflanzen, Mensch und Tier sind da eben zweitrangig.

Frohe Kunde für Deutschlands Schützen kommt – so scheint es – jetzt von der britischen Firma CCI: Deren neue Wurfscheibe ist laut Angaben des Herstellers „PAK- frei“ und sogar vom Bundesverband Schießstätten e.V. anerkannt. Die Analyse einer „PAK- freien“ Tontaube in einem Osnabrücker Labor vom vergangenen Freitag entlarvte die Briten allerdings: Auch ihr Exemplar enthielt Aromaten-Verbindungen, und zwar 65 mg/kg PAK.

Detlef Gerdts vom Umweltamt kündigt resigniert Konsequenzen für die Osnabrücker Schützen an: „Wir werden jetzt allen Betreibern von Wurftaubenschießplätzen auf der Grundlage des Bundesimmissionsschutzgesetzes zur Auflage machen, nur noch Tontauben zu verwenden, die nicht stärker als die französischen Tontauben belastet sind.“ Detlef Stoller

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