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Linkes Wohnen in der Bonbonfabrik

■ Eine neue Bremer Kommune – in der alten Bonbonfabrik Hiller

usammen wohnen, zusammen arbeiten – ihr Motto können die fünfzehn Aktiven des Kommune-Wohnprojekts „Alla Hopp“ bald in die Tat umsetzen. Vor kurzem hat ihre Genossenschaft WISe (Wohnen in Selbstverwaltung) die alte Bonbonfabrik Hiller in der Bremer Neustadt gekauft. 800.000 DM zahlten die Projektaktiven für das dreistöckige Fabrikgebäude in der Hardenbergstraße und ein anliegendes Wohnhaus.

„Damit bekommt Bremen endlich ein linkes Wohnprojekt, die erste Kommune seit Jahren“, freut sich Thorsten Schlusche von Alla Hopp. Nun wird ab August zunächst einmal kräftig rangeklotzt – ökologisch korrekt und in Eigenregie. „Wir setzen darauf, viel selbst zu machen“, sagt Thorsten. „Anders wäre das nicht zu bezahlen.“ Gas und Wasser müssen gelegt, Wände müssen neu gezogen werden, um die Produktionshallen in den drei Stockwerken in Wohnraum für jeweils fünf Personen zu verwandeln. Nach dem 900.000 Mark teuren Umbau sollen auf den 500 qm Wohnfläche 18 bis 20 Menschen wohnen. Der erste Schwung Kommunarden zieht bereits im Oktober in das schon bewohnbare Nebenhaus. Dann sollen im Halbjahresturnus weitere Bauabschnitte fertiggestellt werden. „Unser Ziel ist es, daß am symbolträchtigen 1. Januar 2000 die Letzten einziehen“, sagt Thorsten.

Sechs Jahre lang suchte Alla Hopp nach einem geeigneten Gebäude für das linke Kommuneprojekt. Erst Ende letzten Jahres scheiterte der Ankauf eines Kasernengeländes in Gröpelingen, Anfang dieses Jahres versuchte Alla Hopp vergebens, eine Kaserne in Huckelriede zu erwerben. Jetzt soll in den Hallen, die unter der Regie des Bonbonfabrikanten Heinz Hiller nach dem Krieg entstanden, mehr als nur gewohnt werden. Hiller hatte 1994 aus Altersgründen die Produktion der sauren Drops aufgegeben, danach stand das Gebäude fast vier Jahre leer. Nun wird dort auch wieder das Geschäftsleben pulsieren: Ein alternativer Bestattungsladen ist geplant, ein Architekturbüro und eine Holzwerkstatt. Ein SchülerInnenladen will Hausaufgabenhilfe und auch Freizeitaktivitäten für die Kinder im Stadtteil anbieten.

Im Ortsamt Neustadt begrüßt man deshalb das neue Leben in den Fabrikhallen. Amtsleiter Klaus-Peter Fischer: „Wir wollen keine Zersiedelung und freuen uns über den Ansatz, daß hier zugleich gewohnt und gearbeitet werden soll.“ Zu den weiterführenden, erklärt linksradikalen politischen Ideen der Kommune mag er aber nichts sagen.

Das Zusammenleben in der Bonbonfabrik soll nach Thorstens Angaben ein anderes sein als in einer normalen WG. „Wir wollen nicht nur was gegen Vereinzelung tun, sondern den Alltag politisch gestalten.“ Durch Stadtteilarbeit will man linke Präsenz zeigen, für sich selbst will die Gruppe einen solidarischen Umgang finden, zum Beispiel durch eine gemeinsame Kasse. „Jeder, der was verdient, tut das in die Kasse. Und jeder, der was braucht, nimmt sich was heraus“, erläutert Thorsten. Ob das sogenannte „Bedürfnismodell“ wirklich funktioniert, muß sich zeigen. Bei Alla Hopp ist man aber optimistisch. Eine gemeinsame Kasse gibt's hier schon seit einem Jahr. „Man kann natürlich nur so viel rausnehmen, wie drin ist. Und wenn's nicht reicht, beschließen wir, was getan werden muß und gucken, wer noch arbeiten gehen kann.“

Die KommunardInnen sind sich auch in ihrer antipatriachalischen Einstellung einig: „Es soll FrauenLesbenwohnbereiche geben, und es sollen immer mehr oder wenigstens gleich viele Frauen wie Männer im Projekt wohnen“, kündigt Thorsten an. „Zum anderen wollen wir auf mögliche Männerdominanz achten – was zum Beispiel das Redeverhalten betrifft.“ Und last but not least: „Wir setzen auf das Konsensprinzip“, sagt Thorsten. Daß der Konsens auch immer zustande kommt, steht für ihn außer Frage: „Wir sind ja alle Linke aus Anti-Irgendwas-Gruppen, wo das Konsensprinzip gut funktioniert.“

Finanziert wird das Projekt vor allem über Genossenschaftseinlagen und private Kleinkredite; für Einlagen soll es bis zu drei Prozent Zinsen geben. „Bislang können wir zufrieden sein, aber wir brauchen noch viel Unterstützung, damit unser Raum festen Boden unter den Füßen bekommt“, sagt Thomas.

Auf passende Nachbarschaft kann sich die Kommune aber jetzt schon freuen: Eine Frauengruppe will mit Expo 2000-Geldern das benachbarte Coca-Cola-Gelände kaufen und dort ein Wohnprojekt für alleinstehende Frauen aufziehen. Lars Reppesgaard

Kontakt für UnterstützerInnen 0421-5360807 oder 5360899

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