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Wie Teile der Berliner Christdemokraten sich die Zukunft mit den 440.000 Ausländern vorstellen, dokumentiert ein Interview des Innensenators Jörg Schönbohm  ■ Aus Berlin Severin Weiland

Innensenator Jörg Schönbohm gilt als geradliniger Mann. Die letzten besetzten Häuser in Berlin ließ er räumen, auch innerstädtische Wagenburgen mußten in seiner zweieinhalbjährigen Amtszeit weichen. Auf linksradikalen Flugblättern läuft er seitdem unter dem Markenzeichen „Meister Proper“ – was Schönbohm, der von Bonn nach Berlin wechselte, nach einer Gewöhnungsphase an den rauhen hiesigen Tonfall wohl als Kompliment versteht.

Nun hat er bei seinen Stippvisiten in der Stadt erneut Erschreckendes festgestellt: Der Urberliner versteht sein eigenes Wort nicht mehr. Damit auch der gemeine Mann weiß, was sein Innensenator so tagaus, tagein denkt, gab er jetzt dem Boulevardblatt B.Z. ein umfängliches Interview. „Es gibt heute schon Quartiere“, faßte der Ex-General seine Eindrücke zusammen, „die so sind, daß man sagen kann: Dort befindet man sich nicht in Deutschland“. Schönbohm nutzte den Platz, um ein Zukunftsszenario zu zeichnen, als stünde die Stadt kurz vor dem Untergang. „Ghettos“ machte er aus, die in einem Zeitraum von 20 bis 30 Jahren abgebaut werden müßten. „Parallel-Gesellschaften“ dürften gar nicht erst entstehen. Diejenigen, die sich nicht integrieren lassen wollten, müßten sich die „Frage beantworten, ob sie zurückgehen wollen“. Und gegen Islam-Unterricht an Schulen sei er, weil „der Unterricht im Christentum, den wir geben, gibt dagegen das christlich-abendländische Erbe weiter, auf dem unsere Kultur ganz stark beruht“.

Nein, Berlin ist nicht im Wahlkampf. Zumindest nicht offiziell. Hinter den Kulissen der Berliner CDU allerdings wird seit einem Jahr über die Richtung ins Jahr 2000 gestritten. Grob gezeichnet sind zwei Linien sind auszumachen: Bleiben die Christdemokraten, wie es der Landesvorsitzende und Regierende Bürgermeister Eberhard Diepgen will, eine weltoffene Partei – oder schottet man sich ab, wie es aus den Papieren seiner Kritiker herauszulesen ist. Schönbohm, der Ambitionen auf Diepgens Stuhl hegt, neigt zu letzterem. Kürzlich erst begrüßte er, sekundiert von der CDU-Sozialsenatorin Beate Hübner, eine Ausländerquote für Bezirke. Die Vorarbeit hatte der Abgeordnete Siegfried Helias geleistet. In einem Papier forderte der Diepgen-Gegner einen Ausländeranteil von „maximal 20 Prozent“. Würde dies umgesetzt, müßten Ausländer ausgewiesen werden, denn in Bezirken wie Kreuzberg oder Wedding liegt die Quote bei mehr als 30 Prozent.

Nun wäre es voreilig, Schönbohm zum lupenreinen Rechten zu erklären. Der Ex-General ist eher ein unberechenbarer Konservativer. Er leistet sich, woran sein Vorgänger Dieter Heckelmann gar nicht einmal gedacht hätte: Neugier. So überraschte er die Öffentlichkeit, als er sich vor kurzem zum Spiegel-Streitgespräch mit drei Autonomen traf. Auch seine Äußerungen zur Ausländerpolitik sind vergleichsweise milde, wenn man die Papiere der Parteirechten heranzieht. Erst vergangene Woche beklagte sich Diepgen im CDU-Bundesvorstand, daß in seiner Berliner Partei rechte Parolen zunehmend Widerhall fänden. Das ist untertrieben. Es gab sie schon immer. Neu ist, daß sich die Diepgen-Gegner nunmehr stark genug fühlen und sich unverblümt zu Wort melden. Die Angst, von Diepgen und dem eigentlich mächtigen Mann der Berliner Union, dem Fraktionschef Klaus-Rüdiger Landowsky, ins Abseits geschoben zu werden, schwindet.

Bereits vor gut einem Jahr kursierte ein Papier, das der Parteitag in weiser Voraussicht zur Überarbeitung an die Autoren zurückschickte. In dem ursprünglichen Text unter dem Titel „Bürgerfreundliche Stadt – Zusammenleben in Frieden“ hatte es unter anderem geheißen, man „müsse akzeptieren“, daß Deutsche mit Ausländern zusammenleben. Berlins Ausländerbeauftragte Barbara John, die innerhalb der CDU seit Jahren auf einsamem Posten ficht, sprach ungewöhnlich deutliche Worte: „Peinliche und platte Deutschtümelei“ sei das. Ihrem Einsatz war es zu verdanken, daß das Papier abgeschwächt wurde. Dafür wurde sie von ihrem Kreisverband Kreuzberg abgestraft. Erstmals wurde John nicht als Delegierte für einen Landesparteitag nominiert.

Das Weltbild der Parteirechten ist das eines „weltstädtischen“ Berlins ohne die Probleme einer multiethnischen Metropole. Charakteristisch für dieses Denken ist, was noch im Ursprungstext dazu gestanden hatte. In einem Grußwort bedachten die Autoren lediglich „Diplomaten, Politiker, Geschäftsleute, Unternehmer und Wissenschaftler“. Die Ausländer, rund 440.000 der 3,2 Millionen Einwohner, blieben in dieser Passage unerwähnt. Sie wurden an anderer Stelle abgehandelt: Wer hier dauerhaft leben wolle, „von dem muß auch die Hinwendung zur deutschen Lebenswelt erwartet werden“.

Die neue Fassung des Papiers mag der Parteispitze nun gefallen, sein Geist aber ist so leicht nicht wegzuretuschieren. Schönbohm ist das beste Beispiel dafür. Die Ausländer, so der Innensenator gönnerhaft, „könnten ihre kulturelle Identität“ bewahren. Doch müßten sie „mit deutschen Bürgern und Behörden in deren Sprache verkehren und sich deren Gewohnheiten anpassen“.

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