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Wenn der Groschen fällt

Verspielt: „Automatenwelten“ im Museum für Kunst und Gewerbe  ■ Von Hajo Schiff

Beim Einwurf des Obulus in den Weihwasserautomaten waren schon die Reaktionen der Tempelgänger im alten Rom verschieden: Der eine hat sich über das praktische Gerät gefreut, der andere über das seelenlose Abzocken geärgert. Diese Ambivalenz bestimmt immer noch die Einstellung zu den inzwischen überall vorhandenen Automaten. Magnetkarten- und chipgesteuert geben sich die weitgehend elektronischen Maschinen heute unauffällig, sie werden beiläufig benutzt, ohne viel nachzudenken. Das war anders bei den blechernen Gesellen, bei denen es noch hörbar war, wenn der Groschen fiel. Solche aufwendig gestalteten Automatenkunstwerke aus den letzten hundert Jahren zeigt jetzt eine Austellung im Museum für Kunst und Gewerbe, die weitgehend von der „Informationsgemein-schaft Münzspiel“ gesponsert wurde.

Von dem einem gotischen Sakramentshäuschen nachgebildeten Schokoladenautomat (1887) zum spacigen Kondomspender von 1989 sind 120 Geräte zu bewundern, viele auch zu benutzen. Die Ausstellungsinszenierung erschließt den starken, aber wenig beachteten Einfluß der Automaten auf die Lebensweise durch assoziative Kombination mit Fotos aus dem Alltag des bewegten Jahrhunderts.

Manche Geräte reizen als ästhetische Objekte, andere als Belege für kurzlebige Moden der Wunschbefriedigung. „Smash Hitler“ ist eine englische Maschine der vierziger Jahre, mit der der Spieler mit Stahlkugeln die Zähne aus dem Kopf des verhaßten Gegners herausschießen konnte. Ähnlich direkt, aber nun gar nicht politisch korrekt ist „Smilin Sam from Alabam“, ein grinsender Glatzkopf, dem man die Zunge herausziehen mußte, um eine Portion Erdnüsse zu erhalten: In den USA ab 1930 für dreißig Jahre ein großer Renner. Dagegen war mit dem vor 100 Jahren in Frankreich verspürten Reiz, von einem Schwein mit rotleuchtenden Augen elektrisiert zu werden, kein langfristiges Geschäft zu machen. Ungebrochenen Erfolg aber hatten Zigarettenautomaten und vor allem Spielgeräte.

In Deutschland sind ungefähr 4.000 Spielautomaten aufgestellt. 70.000 Mitarbeiter hat die Automatenbranche, die sich große Mühe gibt, keinesfalls unseriös zu erscheinen. So bleibt das Thema Spielsucht bei dieser Ausstellung ausgeklammert, schon die kleinste Andeutung wird sorgfältigst vermieden. Von einem staatlichen, kulturhistorischen Museum hätte erwartet werden können, nicht nur die Ausstellung schön zu arrangieren, sondern der Faszination der Apparate etwas mehr hinzuzufügen und sowohl die Jahrtausende alte Automatengeschichte wie den aktuellen sozialen Bezug stärker zu präzisieren. Es macht keinen Sinn, die negativen Folgen der Daddelhallen einfach zu verschweigen. Auch wenn eine genaue Erfassung schwierig ist: Die Zahlen der Spielsüchtigen variieren von 15.000 in ganz Deutschland zu 8.000 allein in Hamburg. Und die stecken nicht zehn Pfenning in die „Bimbo Box“, um sechs Affen unter Palmen musizieren zu hören.

„Automatenwelten - FreiZeitzeugen des Jahrhunderts“, Museum für Kunst und Gewerbe, bis 6. September

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