: Aufruf zum Konsumverzicht
Streiks im Hamburger Einzelhandel. Gestern Auszeiten in Supermärkten, nächste Woche könnten Kaufhäuser folgen ■ Von Kai von Appen
Der Streik im Hamburger Einzelhandel hat begonnen. In den Märkten der Supermarktkette „Toom“ in Altona, Wandsbek und Osdorf streikten gestern 300 MitarbeiterInnen und legten die Verkaufshallen nahezu still. Heute werden die Streiks in anderen Märkten fortgesetzt; in der kommenden Woche werden vermutlich auch Kaufhäuser in den Arbeitskampf einbezogen.
Bereits um sechs Uhr früh zogen gestern die Streikposten der Gewerkschaft Handel, Banken und Versicherungen (HBV) vor den Personaleingang des „Toom-Markt“ an der Altonaer Max-Brauer-Allee. Sie drückten den eintreffenden MitarbeiterInnen der Frühschicht die weißen Gewerkschaftsleibchen aus Plastik in die Hand. „Wir streiken“, verkündeten sie.
Die Beschäftigten zogen mit. Gemeinsam postierte man sich an den Auffahrten zum Parkplatz – stoppte Fahrzeuge von KundInnen, verteilte Flugblätter und bat, „doch heute woanders einzukaufen, um den Streik zu unterstützen“. Das war nicht im Sinne von Marktchef Gunnar Eickhoff. Auch er hatte sich an der Grundstückseinfahrt aufgestellt, um potentielle KundInnen in den Laden zu locken. „Es ist offen“, rief er energisch.
Obwohl Eickhoff den „Toom“-Markt mit einer Handvoll Angestellten und herantelefonierten 620 Marks-Aushilfen geöffnet hatte, war die Stimmung unter den Streikenden – vorwiegend Frauen – gut. Besonders, nachdem man morgens im Radio vom französischen Pilotenstreik gehört hatte. „Die bei Air France sind gut drauf, alle zusammen!“, schwärmte eine Verkäuferin vor ihren KollegInnen.
Viele KundInnen zeigten für den Arbeitskampf Verständnis. „Egal in welcher Branche, alle brauchen mehr Geld“, bekannte eine Autofahrerin und legte den Rückwärtsgang ein. „Dann komme ich eben morgen wieder, muß mir halt noch mal einen halben Tag freinehmen“, erklärte ein anderer Kunde pragmatisch. Nur wenige ignorierten die HBV-Aufforderung und mußten lange Wartezeiten in den Supermärkten in Kauf nehmen.
Mit der Arbeitsniederlegung wollen die Angestellten im Tarifkonflikt höhere Gehälter erzwingen. Die HBV fordert 4,5 Prozent mehr, die Hamburger Einzelhändler wollen ihren 72.000 Angestellten nur magere ein Prozent zubilligen – obwohl die VerkäuferInnen ohnehin zu den NiedrigverdienerInnen gehören.
Bei Urabstimmungen in Hamburgs Super-Märkten hatten sich mehr als 90 Prozent der Beschäftigten für den Streik ausgesprochen, bei den Kaufhäusern zeichnet sich derzeit eine ähnliche Tendenz ab. „Wenn bei den Verhandlungen am Freitag kein besseres Angebot vorgelegt wird“, warnte HBV-Sprecher Lutz Eilrich gestern, „geht es geht nächste Woche richtig los“.
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