Neuer zeo2-Standpunkt Australien: Das klimapolitische Mittelalter

Down Under leidet unter den Folgen der Klimaerwärmung. Doch wer die Katastrophe benennt, wird bedroht.

Zunehmende Buschbrände. Hier einer Anfang Februar 2014 in Craigieburn, Victoria. Bild: dpa

AUSTRALIEN zeo2 | Armes Australien. Der bei deutschen Auswanderern beliebte, heiße Kontinent wird zunehmend von Hitzewellen, Dürren und Buschfeuern gebeutelt. Das Jahr 2013 war das heißeste in der Geschichte Australiens seit Beginn der Wetteraufzeichnungen vor über hundert Jahren – das bisherige Rekordjahr 2005 wurde um volle 0,17 Grad Celsius überboten.

Im Januar 2013 war es so heiß, dass der australische Wetterdienst zwei neue Farben in den Vorhersagekarten einführen musste – die bisherige Skala reichte „nur“ bis 50 °C. Bei den Australian Open in Melbourne in diesem Januar stöhnten die Tennisprofis über Temperaturen über 40 °C, und der kanadische Spieler Frank Dancevic kollabierte auf dem Platz.

Aber nicht nur die Temperaturen, auch die Niederschläge verändern sich. Ende 2010 fielen im östlichen Australien die größten Regenmengen, die dort jemals seit 1900 registriert wurden. Sie führten zu einer der schlimmsten Flutkatastrophen in der australischen Geschichte, von der ein Gebiet von der Größe Deutschlands und Frankreichs zusammengenommen betroffen war.

Es gab massive Überflutungen in Brisbane, über 20 Tote und einen Schaden von rund fünf Milliarden australischer Dollar. Die Regenfälle auf dem australischen Kontinent waren derart extrem, dass der globale Meeresspiegel um einen Zentimeter absackte, weil der sonst trockene Boden wie ein Schwamm Wasser speicherte – ein einmaliger Ausreißer nach unten in der Messreihe der Satelliten, der erst ein Jahr später wieder ausgeglichen war.

Die Landwirtschaft leidet

Doch während der Osten Australiens unter Überschwemmungen litt, erlebte der Südwesten die trockenste Regenzeit – ebenfalls seit Beginn der Aufzeichnungen im Jahr 1900. In erheblichen Teilen Australiens leidet die Landwirtschaft unter zunehmender Dürre.

Seit langem gibt es in Australien eine Debatte über die hohen Suizidraten unter Farmern, bei der auch die Zusammenhänge mit der Dürreproblematik diskutiert werden. Niederschläge in Australien hängen eng mit den Meerestemperaturen im Umfeld der riesigen Insel zusammen, und die hatten 2010 (dem global bislang wärmsten Jahr) neue Rekordwerte erreicht.

Trockenheit und Hitze erhöht – nicht nur in Australien – die Gefahr von Buschfeuern. Die „Black Saturday“ Buschfeuer im Februar 2009 waren die bislang schlimmsten in Australiens Geschichte. Sie folgten auf eine Rekordhitzewelle und Dürre im Südosten des Landes und forderten über 200 Todesopfer. Immer wieder sind auch Vororte von Sydney von Buschfeuern bedroht, wie im Oktober 2013, als die Behörden gar ein „Megafeuer“ befürchteten, das zum Glück ausblieb.

In den 1980er Jahren war Australien ein aufgeklärtes und progressives Land in Sachen Klima. Damals lebte ich als Doktorand in Neuseeland, und mir erschien dies völlig logisch: natürlich sollte ein Land, das so stark wie Australien vom Klima abhängig ist, sich der Klimaproblematik besonders bewusst sein.

Anfang Februar 2014 in Craigieburn, Victoria. Bild: dpa

Ich glaubte, dass andere, weniger betroffene Länder dieses Problembewusstsein eben etwas später entwickeln würden. Die Geschichte hat mich eines Besseren belehrt: die starke Betroffenheit Australiens hat inzwischen zu einer aggressiven Verdrängung des Problems geführt.

Klimaforscher erhalten beleidigende und teils drohende Mails – die Kollegen an der Uni Canberra arbeiten inzwischen in einem verschlossenen Sicherheitstrakt. Einem führenden deutschen Klimaforscher, der in Australien einen Vortrag hielt, wurde dort vor Publikum eine Galgenschlinge hingehalten.

Der australischer Kolumnist Richard Glover berichtet eindrucksvoll über eine Welle von Hassmails, die über ihn hereinbrach, nachdem er einmal über das Klimaproblem geschrieben hatte. Die kennen auch Klimaforscher in Deutschland – allerdings lange nicht in diesem Ausmaß.

Zur besonderen Situation Australiens trägt zweifellos bei, dass das Deviseneinkommen dieses Landes zu einem großen Teil auf dem Verkauf von Kohle beruht – daher schreckt die Regierung selbst vor der Gefährdung des berühmten Great Barrier Riffs nicht zurück, wenn es um den Ausbau eines riesigen Kohlehafens geht.

Emotionale Klimadebatten

Sinken die Kohleexporte und verteuern sich Fernflüge durch eine erfolgreiche globale Klimapolitik, und brechen zudem die Einkünfte aus dem Agrarsektor durch weitere Dürren ein, verliert Australien gleich auf drei seiner wichtigsten Wirtschaftsfelder: Kohle, Landwirtschaft und Tourismus.

Kein Wunder, dass die Debatte um die Klimapolitik die australische Politik im vergangenen Jahrzehnt stark geprägt hat und teils sehr emotional geführt wurde. Dabei setzt die konservative Liberal Party auf Vogel-Strauß-Politik, während Labor das Problem mit Hilfe von CO2-Steuern und Investitionen in Kohlenstoffspeicherung (CCS) anpacken wollte.

Als die Labor Party mit Kevin Rudd im November 2007 die Wahlen haushoch gewann, ratifizierte seine Regierung umgehend das Kyoto-Protokoll und wurde auf dem UN-Klimagipfel in Bali dafür gefeiert. Doch schon 2010 stürzte Rudd – als Folge verlorener Popularität nach Kontroversen über eine CO2-Steuer musste er die Führung an seine Parteigenossin Julia Gillard übergeben.

Diese führte 2011 die Steuer schließlich ein, traf damit aber auf erbitterten Widerstand der Opposition. Im September 2013 gewann die Liberal Party die Parlamentswahlen nach einem Anti-Klimaschutz-Wahlkampf, der durch zahlreiche „Klimaskeptiker“-Artikel in den Murdoch-Medien unterstützt wurde.

Mitte Januar 2014 in der Region Victoria's Grampians. Bild: dpa

Anfang 2011 berief die Labor-Regierung ein unabhängiges Expertengremium, die Climate Commission, dem führende australische Klimaforscher wie Will Steffen angehörten. Die neue konservative Regierung unter Tony Abbott hatte offenbar nichts Eiligeres zu tun, als innerhalb von 14 Tagen nach ihrer Wahl die Climate Commission abzuschaffen, angeblich aus Sparsamkeit.

Tatsächlich ging es wohl eher darum, weitere unbequeme Berichte zu verhindern, die den Zusammenhang von anthropogener Erwärmung und den zunehmenden Buschbränden belegten und dringende Gegenmaßnahmen einforderten. Inzwischen agiert die Expertengruppe als NGO unter dem Namen Climate Council weiter, finanziert durch Crowdfunding. Noch im September 2013 kam innerhalb von einer Woche von über 20.000 Spendern mehr als eine Million Dollar zusammen; die Klimaexperten arbeiten zudem gratis.

Die neue Regierung will nun zum 1. Juli auch die CO2-Steuer wieder abschaffen. Als im Oktober Sydney durch Buschbrände umzingelt zu werden drohte, behauptete der neue Premier forsch, es gebe keinen Zusammenhang mit der globalen Erwärmung – entgegen aller wissenschaftlichen Erkenntnisse und mit dem sinnigen Argument, Buschfeuer habe es schon immer gegeben.

Es ist ein Rückfall ins klimapolitische Mittelalter. Dabei hätte Australien die besten Voraussetzungen für die Transformation seines Energiesystems zu erneuerbaren Energien: viel Land, lange Küsten, viel Sonne.

zeo2-Kolumnist Stefan Rahmstorf forscht am Potsdam-Institut für Klimafolgenforschung (PIK). Seine aktuellen Forschungsgebiete: Paläoklima, Meeresspiegel und Wetterextreme.

Der Artikel erscheint in der Ausgabe zeo2 2/2013. Diese finden Sie im guten Kiosk oder im eKiosk der taz. Den Inhalt können Sie gerne auf unserer Facebook-Seite diskutieren.