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Betriebsrat wollte Zuschläge nicht

■ Schlichtung im Streit um verkaufsoffenen Sonntag: Karstadt-Geschäftsführung setzte gegen Betriebsrat hohe außertarifliche Zulagen durch / Geschäfte auch Samstag bis 16 Uhr offen

Am Dienstag war Schlichtungstermin, Betriebsrat gegen Geschäftsführung des Warenhauses Karstadt. Der Konflikt: Am kommenden Sonntag, den 7. Juni, soll „verkaufsoffener Sonntag“ sein, und der Betriebsrat wollte verhindern, daß der Sonntag mit übertariflichen Zulagen attraktiv gemacht wird. Nach Tarifvertrag gibt es 100 Prozent Zulage, auf freiwilliger Basis will Karstadt noch 25 Mark pro Stunde in Form eines Warengutscheines drauflegen, steuerfrei. Das macht für eine Verkäuferin für die fünf Stunden Sonntagsarbeit mehr als 300 Mark unter dem Strich.

„Das ist unser Problem, das reizt ja auch“, formuliert Betriebsrätin Ingrid Fink die Position der gewerkschaftlichen Interessenvertretung. Der Betriebsrat, begründet Fink, wollte verhindern, daß den Angestellten „noch mehr Geld angeboten wird, um sie zu kaufen“. Der Betriebsrat hatte dabei die „Hoffnung, daß sich wenig Mitarbeiter melden“.

Zweite Forderung des Betriebsrates: Einzelhandelsgeschäfte, die am Sonntag öffnen, sollten dafür am Samstag schon um 14 Uhr insgesamt ihre Türen schließen. Diese Forderung soll dem Unternehmen die Lust am verkaufsoffenen Sonntag vermiesen, da eine zwangsweise Schließung des um 14 Uhr vollen Geschäftes nur unzufriedene Kunden schaffen würde.

Der Schlichter im Einigungsverfahren, der Landesarbeitsrichter Martin Bertzbach, vermochte diese Logik der betrieblichen Interessenvertretung nicht nachzuvollziehen und entschied für das Arbeitgeberangebot. Dabei wollte Bertzbach nicht die Entscheidung des Oberverwaltungsgerichtes vorwegnehmen, das in den nächsten Monaten auf die Klage zweier Betriebsräte von Kaufhof und Adler hin die Rechtsmäßigkeit des Bremer Senatsbeschlusses überprüfen muß. Der Senat nämlich hatte die Regelung des Ladenschluß-Gesetzes als reinen Arbeitnehmer-Schutz interpretiert: Nicht das Geschäft muß in Bremen am Samstag um 14 Uhr schließen, wenn es am Sonntag öffnen will, sondern die einzelne Arbeitnehmerin, die sonntags arbeiten will, muß am Samstag spätestens um 14 Uhr Feierabend haben. Ob diese Auslegung des Gesetzes juristisch haltbar ist, soll bis zum zweiten Verkaufs-Sonntag in diesem Jahr, dem 18. Oktober, vor dem Oberverwaltungsgericht geklärt werden.

„Ich begreife die Gewerkschaften nicht“, empört sich Wolfgang Brakhane, der Erfinder der Bremer Interpretation des Ladenschluß-Gesetzes und Geschäftsführer des Einzelhandelsverbandes: „Vertreten die Gewerkschaften die Interessen des Umlandes gegen ihre eigenen Betriebe?“ Aus dem Umland nämlich kommen besonders viele Kunden am Sonntag in die Bremer City, und das soll öfter so passieren. „Das ist das politische Problem“, begründet die Karstadt-Betriebsrätin den Widerstand der HBV: Wenn der verkaufsoffene Sonntag ein Erfolg wird, dann wird als nächster Schritt die Beschränkung auf vier Sonntage im Jahr in Frage gestellt.

Wobei die Frage die Belegschaften spaltet: Das „alteingesessene Stammpersonal“ bei Karstadt, weiß die Betriebsrätin, meldet sich nicht für den lukrativen Sonntags-Job, aber sehr wohl die jüngeren Kräfte und Teilzeit-Angestellte.

Nach dem Schlichterspruch haben sich am Mittwoch die Betriebsräte der Innenstadt-Einzelhändler bei Karstadt getroffen; die Karstadt-Regelung dürfte von den anderen Geschäften übernommen werden. K.W.

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