: Mehrjährige Haftstrafe für Berlusconi
■ Im Mailänder Schmiergeldprozeß fordert Staatsanwalt fünf Jahre
Mailand (taz) – Das bisher höchste Strafmaß gegen den Mailänder Medienmogul und ehemaligen Ministerpräsidenten Silvio Berlusconi hat die Staatsanwaltschaft des Antikorruptions-Pools „Saubere Hände“ am Dienstag abend gefordert: fünfeinhalb Jahre wegen Bilanzfälschung und Vergehen gegen das Parteienfinanzierungsgesetz. Nach Überzeugung des Chefanklägers Francesco Greco hat Berlusconi im schweizerischen Lugano unter dem Namen „All Iberian“ eine Firma eingerichtet, deren vorwiegende Aufgabe die Überweisung von Schmiergeldern war. Die umgerechnet mehr als 20 Millionen Mark wurden aus Berlusconi-Unternehmen abgezogen und dann auf Konten vor allem der in den 80er Jahren mitregierenden Sozialistischen Partei überwiesen. Deren damaliger Chef Bettino Craxi soll wegen Korruption vier Jahre ins Gefängnis.
Berlusconi streitet alles ab. Hilfsweise haben seine Anwälte schon erklärt, daß, wenn es doch illegale Zahlungen gegeben habe, der Chef nichts gewußt habe. Der sieht sich als „politisch Verfolgter“ und vermutet bei der Staatsanwaltschaft linke Tendenzen. Von dem Urteil, das für nächste Woche erwartet wird, können massive politische Veränderungen ausgehen. Berlusconi hat in den letzten Tagen nach einem guten Abschneiden bei den Kommunalteilwahlen die vor eineinhalb Jahren begonnenen Verhandlungen mit der Regierung über eine Verfassungsreform abgebrochen. Wird er verurteilt, muß er wieder verhandeln. Nur so kann er auf eine Reform hoffen, die ihm noch Chancen für eine Amnestie seiner mutmaßlichen Vergehen einräumen würde.
Wird er freigesprochen, ist die Verfassungsreform endgültig erledigt, der Medienherrscher wird auf schnelle Neuwahlen drängen. Die aber will sich die Regierung nicht aufdrängen lassen. Dabei riskiert sie aber Spannungen, weil auch die im Aufwind befindlichen moderaten Kräfte in der Koalition Neuwahlen nicht abgeneigt wären. Für Italien wäre es die erste schwere Krise nach dem groß gefeierten Euro-Beitritt. Werner Raith
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