: Merkel will neuen Energiekonsens
■ Bundesumweltministerin wirft SPD-Ländern schlechte Atom-Aufsicht vor. SPD: Neue Transporte gefährden inneren Frieden
Bonn (taz) – Daß man ihrer Einladung nicht gefolgt sei, finde sie wirklich „unerträglich“, erklärte Bundesumweltministerin Angela Merkel gestern und versuchte so noch einmal den Spieß in der Castor-Affäre herumzudrehen. Nur fünf der Länder-Umweltminister hatten am Dienstag an einem gemeinsamen Treffen mit ihr in Bonn teilgenommen. Die Absage sei um so unverständlicher, als gerade in Niedersachsen und Nordrhein-Westfalen „besonderer Aufklärungsbedarf“ bestehe, sagt Merkel. Zugleich forderte sie eine Neuauflage der Energiekonsensgespräche.
Merkel sagte, sie könne es nur „zynisch“ nennen, wenn der niedersächsische Umweltminister Jüttner die Einladung mit der Begründung ausschlage, er habe kein Interesse an einem Gruppenbild mit Dame. Es sei ein „Armutszeugnis, wie gerade das Land Niedersachsen seine Aufsichtspflicht verletzt habe. Erst die Anforderung der den Ländern vorliegenden Meßprotokolle habe dazu geführt, daß jetzt auch Grenzwertüberschreitungen bei der Eingangskontrolle leerer Behälter bekanntgeworden seien.
Als „Skandal“ bezeichnete Angela Merkel, daß in Niedersachsen die erst kürzlich aus ihrem Amt ausgeschiedene Umweltministerin Monika Griefahn zugleich die Funktion der Aufsichtsbehörde und eines Aufsichtsratsmitglieds von PreussenElektra ausgeübt habe.
Der umweltpolitische Sprecher der SPD-Fraktion, Michael Müller, wies die Kritik zurück. Die SPD-Minister seien deshalb nicht gekommen, weil Frau Merkel sich geweigert habe, über die Zukunft der Kernkraft zu reden, und einräumen mußte, daß noch nicht alle Fakten auf dem Tisch liegen. Die Ministerin versuche, ihre Verantwortung abzuwälzen. Mit bundesrechtlichen Weisungen gegen atomkritische Bundesländer sei sie zwar immer schnell zur Hand gewesen, gegenüber den Betreibern habe sie jedoch eine konsequente Haltung vermissen lassen. Jetzt breche das „langjährige Gebäude aus Ahnungslosigkeit, Schlamperei und Verfilzung wie ein Kartenhaus in sich zusammen“.
Im Zusammenhang mit der Erkenntnis, daß auch deutsche Castoren verstrahlt wurden, sagte Müller: „Wir halten es für unwahrscheinlich, daß die Bundesstellen nichts gewußt haben.“ Die SPD wolle den Ausstieg „so schnell wie möglich“. Es sei nicht vorstellbar, daß es weitere Castor-Transporte gebe, wenn der „innere Friede im Land“ bewahrt werden solle.
Merkel erklärte, der Transportstopp bleibe so lange in Kraft, bis die Ursache der erhöhten Kontaminiation geklärt und Maßnahmen zu ihrer Vermeidung ergriffen seien. Markus Franz
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