: Schwarze Pumpe legt wieder los
In der Lausitz geht Deutschlands größtes Braunkohlekraftwerk in Betrieb. 4,3 Milliarden Mark Investitionen in moderne Dreckschleudern sollen der Region helfen ■ Von Marcus Franken
Berlin (taz) – Alle beschwören sie die Hoffnung – die Lokalpresse, die Vereinigten Energiewerke (Veag), auch die Festredner, die sich zur Eröffnung eines der größten und modernsten Braunkohlekraftwerke eingefunden haben, das bisher in Deutschland gebaut wurde. Auf dem Gelände des ehemaligen DDR-Gaskombinates Schwarze Pumpe in der Nähe von Cottbus wurden gestern zwei Blöcke mit jeweils 800 Megawatt Stromleistung in einem Kraftwerk eingeweiht, von dem sich viele Bewohner der Region eine gesicherte Zukunft verspechen – sicher weil das neue Energiewirtschaftsgesetz der Betreiberfirma Veag einen Stromabsatz in den neuen Bundesländern garantiert, der auch die vergleichsweise hohen Kosten der Stromerzeugung aus Braunkohle decken soll. Für die Menschen in der Region bleibt mit der Schwarzen Pumpe ein Industriestandort erhalten, dessen Größe und technische Leistungsfähigkeit zu DDR- Zeiten zum Stolz der Region beitrugen.
Auf dem Weg zum Haupttor des Industriezentrums führt die Landstraße vorbei an offenen und gefluteten Tagebauen. Seit 1918 wird hier Braunkohle abgebaut. In den fünfziger Jahren errichteten die Techniker der DDR ein Kombinat, das die Braunkohle der umliegenden Tagebaue in Stadtgas umwandelte und später 75 Prozent des ganzen Landes mit Gas versorgte. Gemeinsam mit Kokerei, Braunkohleveredelung und Brikettfabrik zählte der Volkseigene Betrieb Schwarze Pumpe zu den größen Braunkohleanlagen in Europa – aber auch zu den dreckigsten. In den benachbarten Orten lag der Ruß auf den Dächern und färbte die Wäsche schwarz.
Mit der Wende brach die Nachfrage nach Stadtgas zusammen, die Kokerei wurde geschlossen, und die Brikettproduktion sank auf die Hälfte – Schwarze Pumpe schien am Ende. 15.000 Beschäftigte fürchteten um ihren Arbeitsplatz.
Dank der Milliarden-Investitionen hat sich der Standort wieder aufgerappelt. Die Berliner Wasserbetriebe (BWB) kauften 1995 den Bereich „Stadtgaserzeugung“ von der Treuhand. Mit Hilfe der alten DDR-Technik und Modernisierungen im Wert von 320 Millionen Mark ließen die Wasserwerker eine Anlage errichten, die jedes Jahr bis zu 400.000 Tonnen Abfall zu Methanol verarbeiten soll. Die Ingenieure, die vom alten Kombinat übernommen wurden, sind vor allem darauf stolz, daß die Abfälle in Anlagen umgesetzt werden, die sie in den sechziger Jahren entwickelt hatten und die in ihrer Form einmalig sind.
Nicht nur die alten DDR-Technologien erhalten eine Chance, auch für das gewonnene Methanol öffnet sich ein Zukunftsmarkt. Die chemische Industrie setzt schon lange Methanol als Grundstoff zur Produktion von Harzen oder zur Desinfektion ein. Jetzt haben auch die Befürworter der Brennstoffzellentechnik Methanol als Energieträger für emissionsarme Wasserstoffahrzeuge endeckt. Mit Unternehmen wie Noell, Babcock oder Thyssen sollen hier mindestens 4.000 Arbeitsplätze entstehen.
Dagegen nimmt sich die Zahl der Stellen in dem Veag-Kraftwerk bescheiden aus. Langfristig gesichert sind gerade einmal 317 Teilzeitstellen in dem weitgehend automatisierten Großkraftwerk. Zwar kamen die meisten der bis zu 4.000 Arbeiter, die das Werk mit seiner 161 Meter hohe Haupthalle in fünf Jahren errichteten, aus der Umgebung. Doch die Region bleibt wirtschaftlicher Problemfall. Jeder vierte im Lausitzer Braunkohlerevier ist arbeitslos – trotz auch der an Schwarze Pumpe grenzenden Fabriken, die jeden Tag die bis zu 1.600 Tonnen Gips aus der 1,5 Milliarden Mark teuren Rauchgasreinigung des Kraftwerkes verarbeiten sollen.
Im Lausitzer Revier ist die Braunkohlewirtschaft daher hoch willkommen. Weil zwei alte Kraftwerke abgeschaltet werden, sehen die Menschen vor Ort den 4,5 Milliarden Mark teuren Neubau auch als große Umweltinnovation an. Umweltexperten von der Forschungsstelle für Umweltpolitik der Freien Universität Berlin halten den Betreibern dagegen vor, mit ihrer Großanlage auf einen schädlichen und teuren Energieträger zu setzen. „Kleine, dezentrale Anlagen sind heute billiger. Sie nutzen die Energie der Brennstoffe besser aus“, erklärt Lutz Mez von der Berliner Forschungsstelle.
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