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Eine Raucherecke in der Hölle

■ Carl Laszlo hat Auschwitz überlebt. Sanssouci zeigt seine Sammlung

„Mein Leben ist nicht interessant. Aber es ist das einzige, das ich habe“, sagt Carl Laszlo kokett. Dabei weiß er genau, daß seine Biographie dieses Jahrhundert mit seinen Abgründen und ekstatischen Höhen widerspiegelt. Weder in den Tod noch in die Sonne könne man hineinschauen, schrieb La Rochefoucauld. Carl Laszlo tat es, deswegen urteilte der Philosoph E.M. Cioran: „Jemand, dem widerfuhr, was Carl Laszlo erlebt hat, ist auf dieser Welt alles erlaubt.“

In Ungarn in eine großbürgerliche, jüdische, assimilierte Familie hineingeboren, wurde er als 19jähriger nach Auschwitz deportiert. Fünfundvierzig Angehörige, darunter sein Vater und seine Mutter, werden in KZs umgebracht, Carl Laszlo überlebt: er wird Psychoanalytiker, schreibt neodadaistische Theaterstücke, ein Buch über Auschwitz mit dem unheimlichen Titel „Ferien am Waldsee“, gründet die Avantgardezeitschrift „Panderma“, wird durch die Freundschaft mit Hans Arp und Christian Schad Kunsthändler. 1960 lernt er William Burroughs und Allen Ginsberg kennen und bleibt den Beatniks bis zu deren Tod verbunden.

Die Sammlung des Außenseiters Laszlo ist ein Denkmal an die Außenseiter des 20. Jahrhunderts, auch wenn vieles inzwischen als Hochkultur gilt. Konstruktivistische, geometrische Kunst war noch nicht anerkannt, als Laszlo sie sammelte – er, der in Auschwitz das Unfaßbare überlebt hatte, fand in den Konstruktivisten wie Vasarely und Moholy-Nagy die Ordnung, die er am Leben vermißte.

Das Brandenburgische Literaturbüro und interART, die Teile von Laszlos Sammlung bis 19. Juli in Potsdam ausstellen, waren sich wohl bewußt, daß Laszlo ebenso wichtig ist, wie die von ihm gesammelten Werke. Daher konzentrierten sie sich auf den – in Europa einzigartigen – konstruktivistischen Teil seiner Kollektion und widmeten einen Raum dem Sammler selber. Dort sind Handschriften von Burroughs zu sehen, vergilbte Originalmanuskripte von Theaterstücken, die er mit Ionesco inszenierte, und – vielleicht am bedeutendsten – das Bild eines Malers aus dem 17. Jahrhundert, das in seinem Haus in Basel als Gästebuch diente (auf dem sich Manzoni, Vasarely, Hundertwasser und andere, die Laszlo besuchten, verewigten, indem jeder das Bild ein wenig verfremdete). Johannes Grützke, der sagt, daß Laszlo ihn entdeckt habe, eröffnete die Ausstellung mit „Ein paar Gedanken zur Kunst“ und stellte die These auf, daß, wenn jemand mit Kunst umgehe wie Laszlo, der Sammler zum Künstler werde.

Auf einer Podiumsveranstaltung im Anschluß an die Vernissage erklärte Laszlo dem verdutzten Publikum, daß er sich sein Leben ohne Auschwitz nicht vorstellen könne: „Es hat mich gelehrt, mein Schicksal anzunehmen, ohne ihm zu unterliegen. Das Leben nach Auschwitz habe ich als Rausch empfunden, der Tod hatte für mich seinen Schrecken verloren. Ich fürchte mich nicht vor dem Tod.“ Und fügt hinzu: „Im Fegefeuer darf man sicher rauchen.“ Später sagt Carl Laszlo, der Zigarren Kette raucht: „Das dürfen Sie nicht schreiben. Es ist sicher eine Sünde, von sich anzunehmen, daß man nicht in die Hölle, sondern ins Fegefeuer kommt.“ Daß Gott wahrscheinlich nicht die taz lese, beruhigt ihn: „Da haben Sie recht, die ist ihm sicher zu links.“ Alexander v. Schönburg

Die Ausstellung „Der Sammler Carl Laszlo, Facetten der Moderne“ bis zum 19. Juli in Potsdam (Orangerie, Sanssouci)

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