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Mit System und Rollenspiel

Caritas und Unternehmensberatung bieten gemeinsam ein kostenloses Bewerbungstraining für MigrantInnen an  ■ Von Stefan Tomik

Sichtlich angespannt sitzt Viktor Monastyrski (27) dem Personalchef gegenüber. Unruhig wippt der Russe mit den Füßen; Fragen zu seiner Bewerbung beantwortet er leise, aber freundlich. Seine Berufserfahrung als Zahnarztlaborant kann er gut herausstellen, doch als er den Begriff „Dienstleistungsgesellschaft“ erklären soll, muß Viktor passen. Im Hintergrund zeichnet eine Videokamera gnadenlos all seine Patzer auf.

Im Rollenspiel übt Viktor Monastyrski mit 47 MitstreiterInnen seine erste Bewerbungssituation in Deutschland – beim „Bewerbungs-trainig für Migranten“, einer Initiative von Beschäftigten der Unternehmensberatung „Andersen Consulting“. Die Firma hat weltweit Niederlassungen, auch in Hamburg. Hier wollten sich 20 MitarbeiterInnen engagieren und setzten sich vor einem halben Jahr mit dem katholischen Sozialdienst Caritas in Verbindung: die Idee zum Bewerbertraining wurde geborenen. Es wird von MitarbeiterInnen beider Institutionen geleitet, die Caritas steuert ihre soziale Kompetenz bei, und die UnternehmensberaterInnen schulen ehrenamtlich in den von Andersen Consulting kostenlos bereitgestellten Räumen.

„Uns geht es darum, die besonderen Fähigkeiten der Migranten herauszustellen“, erklärt Andersen-Mitarbeiter Marc Wythe. „Sie haben hervorragende Sprachkenntnisse und verstehen viel von Kulturen, die uns völlig fremd sind.“ Die TeilnehmerInnen des ersten Seminars kommen aus Spanien, Portugal, Italien, Rußland und der Ukraine. Die meisten sind zwischen einem halben und einem Jahr in Deutschland und haben bereits Sprachkurse abgeschlossen. Grundlegende Sprachkenntnisse sind Voraussetzung, um beim Bewerbungstraining dabei zu sein, denn die TrainerInnen wollen auch schwierige Schlüsselbegriffe wie „Teamfähigkeit“ und „soziale Kompetenz“ erläutern.

Das Seminar findet an drei Abenden, verteilt auf drei Wochen. statt. Zuerst erarbeiten die TeilnehmerInnen gemeinsam Berufsbilder; dann sollen sie sich in einer Bewerbungssituation behaupten. Während einer die Fragen des „Personalchefs“ beantwortet, analysieren die übrigen Mimik und Gestik: Augenkontakt, Körperhaltung, Freundlichkeit. Welchen Eindruck hat der Bewerber gemacht? Welche Fähigkeiten gezeigt? In der letzten Phase nehmen die TrainerInnen die Bewerbungsunterlagen unter die Lupe und geben individuelle Tips.

Das erste Seminar ist nun abgeschlossen – mit Erfolg, wie alle betonen. Im Herbst soll das kostenlose Bewerbungstraining wieder angeboten werden, Genaueres ist aber noch nicht geplant.

Eine tolle Erfahrung, findet Viktor Monastyrski. Er hofft, bald „seine Chance“ zu erhalten und zu einem Bewerbungsgespräch eingeladen zu werden. Auch Fatima Ferreira (34) empfindet das Training als echte Hilfe. Die Portugiesin hat kurz entschlossen teilgenommen und ist begeistert: „Man lernt viel miteinander und auch aus den Fehlern der anderen“.

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