■ Vorschlag: Ein Spinner aus dem glücklichen Japan: Cornelius im Knaack
Alles, was gut und teuer ist: Cornelius Foto: Promo
Lustig, lustig geht's in Japan zu. Jedenfalls wenn man davon ausgeht, daß ein Land ungefähr so ist wie die Popmusik, die dort entsteht. Zwischen Guitar Wolf, Supersnazz und Pizzicato Five ist zwar genug Platz für die gesamte Historie der populären Musik, aber allen gemeinsam scheint der übermächtige Wille zum Eklektizismus zu sein. Indem er das hemmungslose Zitieren zum einzigen Prinzip macht, braucht Cornelius kein Menschenleben, sondern gerade mal eine Plattenlänge, um die Strecke zwischen diesen Polen auszumessen. Ob Beach Boys, Beatles oder Abba, ob AC/DC oder die Stones, der 29jährige Keigo Oyamada, der sich nach dem tierischen Protagonisten Cornelius aus „Planet der Affen“ benannte, gibt als Einflüsse alles an, was gut und teuer ist. Verwunderlich an dieser Musik ist nicht, daß ein Song, der als britisches Geschrammel oder auch als Country-Karikatur beginnt, zur elektronischen Meditation oder zur bitterschweren Popsüßigkeit wird, um schließlich als Getröpfel wie von den High Llamas auszuklingen. Und doch: Weder die einzelnen Songs noch die ganze Platte fallen auseinander. Das schafft Cornelius nicht einmal mit den kleinen Spinnerspielereien auf Oberschülerniveau: Es soll einen wohl aus dem Wohlklang reißen, wenn die Songs abbrechen, als würde eine Nadel über Vinyl schleifen.
Jeder Track ließe sich als Parodie lesen, funktioniert aber auch als respektvolle Verbeugung, ob nun vor Goldie oder den Clash. Und jeder Track ist so sehr Popsong, daß man unbedingt Japanisch lernen möchte, um Mitsingen zu können. Das Unglaublichste aber ist: Zu Hause in Japan ist Cornelius ein echter Popstar, bekommt mehrfach Platin für seine Veröffentlichungen und geht schon mal mit 50köpfigen Orchestern auf Tournee, um sich mit Mammut-Lichtshow, einem Ballett aus Karateaffenmenschen und 3-D-Programmheft von ausverkauften Hallen als größter Spinner eines Landes voller Spinner feiern zu lassen. Glückliches Japan. Thomas Winkler
7.6., 21 Uhr, Knaack, Greifswalder Straße 224, Prenzlauer Berg
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