: Die Ajatollahs wetzen die Messer
■ Teherans Bürgermeister Karbaschi steht vor Gericht. Der Reformer wird zum Opfer im Machtkampf zwischen Irans Innenminister Nuri und Justizchef Jasdi
Hinter den Kulissen des iranischen Staatsapparats kämpfen Konservative und Moderate um die Macht. Zwei der exponiertesten Vertreter sind Innenminister Ajatollah Abdollah Nuri und der Chef der Justiz und oberste Richter, Ajatollah Mohammad Jasdi. Der Oberbürgermeister von Teheran, Gholam Hossein Karbaschi, wurde unfreiwillig zum Spielball im Kampf um die Macht in der islamischen Republik. Seit gestern steht er auf Betreiben Jadis wegen Korruption vor Gericht. Nuri organisiert die Solidaritätskampagne für den beliebte Reformer. Er genehmigte gar die Demonstration, bei der Tausende aufgebrachter Studenten vor Wochen Karbaschis Entlassung aus der U-Haft erzwangen.
Die Wurzeln des Konflikts der beiden Ajatollahs reichen bis in die Schah-Zeit zurück. Nuri verehrte damals den islamischen Reformer Ali Schariati. Jasdi hielt diesen für einen Ungläubigen. Heute steht Jasdi auf der Seite des konservativen religiösen Führers des Landes, Ali Chamenei. Nuri gehört zu den Freunden des Reformers und Präsidenten Mohammad Chatami.
Der 1931 in der heiligen Stadt Qom geborene Jasdi, begann seine Karriere als Imam in Isfahan. Als 1953 mit Hilfe der CIA Ministerpräsident Mohammad Mossadegh gestürzt wurde, weil dieser es gewagt hatte, die Erdölindustrie des Landes zu verstaatlichen, hielt Jasdi gute Kontakte zu den Putschisten. In der iranischen Gesellschaft hat er seinen Rückhalt unter den mächtigen Basarhändlern und Textilfabrikanten.
Gegenspieler Nuri wurde 1949 in Isfahan geboren und nahm bis zur 9. Klasse an der theologischen Ausbildung teil. Vor der Revolution unterstützte er die vom Linksislamisten und heutigem Chamenei-Gegner, Ajatollah Hossein Ali Montaseri, gegründete Gruppe „Allaho Akbar“. Jasdi dagegen arbeitete mit religiösen Kreisen innerhalb der „Savak“, des Geheimdienstes des Schahs, diskret gegen Allaho Akbar. Nach der Islamischen Revolution 1979 wurde Nuri Vertreter von Revolutionsführer Ajatollah Chomeini in der Aufbauorganisation „Dschehade Sasandegi“. Er wurde Vorstandsmitglied des Staatsfernsehens und Leiter des Ausschusses für Planung und Etat. Unter Staatspräsidenten Haschemi Rafsandschani war Nuri von 1989 bis 1993 Innenminister.
Nach der Revolution festigten die Anhänger von Montaseri, darunter Nuri, ihre Macht innerhalb der Pasdaran, der Revolutionswächter. Sie betrieben die Enteignung der Reichen, die einst gute Verbindungen zum Königshof und dem Savak gehabt hatten. Jasdi und seine Gefolgschaft nahmen hingegen die Revolutionskomitees in die Hand. Diese kämpften vor allem gegen die linken Volksmudschaheddin.
1982 als die geheimen Kontakte der US-Regierung zu den iranischen Machthabern bekannt wurden, holte Jasdi zum großen Schlag aus, um Montaseris Anhängerschaft endgültig zu zerschlagen. Er ließ Mehdi Haschemi, Bruder des Schweigersohnes von Montaseri, und den ehemaligen Chef des Revolutionsgerichts, Omid Nadschafabadi, hinrichten. Dieser hatte kurz zuvor, noch im Amt, einen der wichtigsten Gönner Jasdis, den Chefredakteur der Zeitung Atasch und Textilfabrikanten Miraschrafi zum Tode verurteilt.
Jasdi war am Ziel. Zusammen mit seinen Anhängern hatte er es geschafft, nach und nach den Justizapparat und die Kontrolle des Geheimdienstes zu übernehmen. Heute untersteht er als oberster Richter nur dem religiösen Führer Chamenei. Montaseri steht in Qom quasi unter Hausarrest.
Dennoch ist der Kampf der Widersacher Nuri und Jasdi nicht entgültig entschieden, denn die Bevölkerung wendet sich zunehmend vom Apparat ab. Die Wahl von Reformpräsident Mohammad Chatami machte dies deutlich. Und als am 14. April Teheraner Studenten für die Freilassung des Bürgermeisters Karabschi demonstrierten, forderten sie im gleichen Atemzug die Absetzung von Justizchef Jasdi. Kambiz Behbahani
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