: Niesen im Glied ist nicht erlaubt
■ Wer nicht den öffentlichen Eid ablegt, wird nicht weiterbefördert
Heute wird das Verwaltungsgericht entscheiden, wo die Gegendemonstration zum morgigen öffentlichen Gelöbnis enden wird. Das Bündnis „Gelöbnix“ hatte Widerspruch gegen die Auflage eingelegt, die Gegendemonstration am Schloßplatz zu beenden. Die Veranstalter, die Kampagne gegen Wehrpflicht, die Grünen, PDS, Jusos und andere Organisationen, wollen bis in die Nähe des Roten Rathauses marschieren. Anwalt Volker Ratzmann rechnet mit einem „Alternativvorschlag“. Möglich sei die Spandauer Straße. Unklar ist damit weiterhin, wo das „antimilitarische Fest“ stattfinden wird, auf dem auch der Vorstandssprecher von Bündnis 90/Die Grünen, Jürgen Trittin, und PDS-Bundestagsgruppenchef Gregor Gysi sprechen sollen.
Fest wie die Eidesformel dagegen steht, daß die Rekruten, die nicht öffentlich geloben wollen, „das Recht und die Freiheit des Deutschen Volkes tapfer zu verteidigen“, nicht weiterbefördert werden. Sanktionen müßten sie jedoch nicht befürchten, betont der Pressesprecher der Bundeswehr, Oberstleutnant Wolfgang Dobrig. Alle 167 Rekruten des einzigen Kampfverbandes in Berlin, des Jägerbataillons in Kladow, wollten geloben. Einzige Ausnahme: Krankschreibungen oder Tauglichkeitsstufe „T7“ – eine Befreiung vom Marschieren oder langen Stehen. Nach Angaben von Dobrig sind unter den Rekruten, die morgen vereidigt werden, jedoch „nur einige T7er“. Diese seien „tief traurig, wegen ihrer Gebrechen nicht als Bestandteil der Ehrenformation teilnehmen zu können“. Auf Wunsch könnten diese „der Situation angemessen“ später den Eid leisten. Insgesamt werden morgen 332 Rekruten vereidigt. 114 stammen laut „landsmannschaftlicher Zugehörigkeit“ aus Berlin.
Nach Einschätzung der Kampagne gegen Wehrpflicht ist die Hälfte der Rekruten jedoch „nicht mit Begeisterung“ dabei. Oft würden sie „ziemlich unter Druck“ gesetzt werden, so Christian Herz. Viele würden nur aus Angst vor „versteckten Sanktionen“ das Gelöbnis über sich ergehen lassen – oder sich krank schreiben lassen. Wer beispielsweise an Heuschnupfen leidet, ist aus dem Schneider. Niesen im Glied ist nicht erlaubt.
Für die fehlende Begeisterung führt die Kampagne eine Vielzahl von Zurückstellungsanträgen an. Nach Angaben des Kreiswehrersatzamtes wurden 1996 in Berlin knapp 14.000 Anträge auf Zurückstellung gestellt, von denen etwa 10.000 stattgegeben wurde.
Während sich die PDS gestern in einem Schreiben an Bundesverteidigungsminister Volker Rühe gegen „die Militarisierung des öffentlichen Raumes“ aussprach, forderte die CDU ein klares „Ja“ zur Bundeswehr. Generalsekretär Volker Liepelt rief eigens eine Pressekonferenz ein, um für morgen die Verteilung von Buttons mit der Aufschrift „Ja zu unserer Bundeswehr!“ anzukündigen. Barbara Bollwahn
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