: „Jetzt konfrontieren wir die GAL eben“
■ Mit einem Alleingang zum Volksentscheid brüskiert die SPD erneut die Grünen
Die Sozis sind erneut darauf aus, den Koalitionspartner GAL vorzuführen: Gestern präsentierten SPD-Fraktionschef Holger Christier und der Parteivorsitzende Jörg Kuhbier einen Antrag zum Volksentscheid. Damit erfuhren die JournalistInnen vor den Grünen, was die SPD-Fraktion zur Volksgesetzgebung beschlossen hat.
Hintergrund ist der Gesetzentwurf der Initiative „Mehr Demokratie“. Sie will die Hürden für direkte Bürgermitbestimmung deutlich senken und bekam dafür im März mehr als 200.000 Unterschriften von den HamburgerInnen. Die eigentliche Gesetzesabstimmung, der Volksentscheid, wird am 27. September stattfinden. Dann will die SPD einen eigenen Konkurrenzantrag vorlegen.
Die Sozis wollen sich zwar bewegen und die ersten beiden Schritte hin zum Volksentscheid erleichtern sowie Bürgerentscheide auf Bezirksebene einführen. Doch beim gesetzgebenden Entscheid soll alles bleiben wie es ist: eine Mindestbeteiligung von 25 Prozent bei einfachen Gesetzen und 50 Prozent bei Verfassungsänderungen. Die GAL hingegen ist voll auf der Linie von „Mehr Demokratie“. Sie pocht außerdem darauf, daß laut Koalitionsvertrag über Gesetze nur gemeinsam abgestimmt werden darf. Mehrere rot-grüne Gespräche führten in den vergangenen Wochen zu keinerlei Ergebnis.
„Jetzt konfrontieren wir die GAL eben“, so Fraktionschef Christier. Mit dem Vorschlag will die SPD Bewegung in die verfahrene rot-grüne Diskussion bringen. Gleichzeitig soll die Öffentlichkeit erfahren, daß die SPD den Gesetzentwurf von „Mehr Demokratie“ für einen „gefährlichen Ansatz“ hält. Denn: Wenn es nach der Bürgerbewegung geht, kann bereits ein Prozent der Bevölkerung Entscheidungen blockieren. Selbst wenn nur eine Minderheit sich überhaupt am Volksentscheid beteiligt, würde das Ergebnis Gesetz. Und das gefährde den „repräsentativen Charakter“ der Demokratie.
„Wir erwarten, daß sich die GAL auf unsere sehr weitgehenden Beschlüsse einläßt“, so Kuhbier. Einen Koalitionsbruch sehen beide Spitzengenossen nicht. Zur Abstimmung stehe nicht ein normales Gesetz, sondern ein Entwurf, über den das Volk dann entscheidet. „Im Koalitionsvertrag ist das nicht exakt geregelt, da haben wir gewisse Freiheiten“, glaubt Kuhbier. Im übrigen „werden wir auch mit der CDU reden, das ist doch selbstverständlich.“ Schließlich brauche man die Union, die der SPD in dieser Frage inhaltlich nahesteht, für eine Verfassungsänderung.
GAL-Verfassungsexperte und Fraktionsvize Martin Schmidt reagierte säuerlich auf den Vorstoß der Sozialdemokraten. Er kündigte an, daß die Grünen zwar zu Gesprächen, nicht aber zu einem Einlenken bereit seien. Die Mindestbeteiligung sei noch immer „absurd hoch“, klagte Schmidt. Die SPD habe „Angst vor dem Volk“. „Mehr Demokratie“ geißelte den Antrag der Sozis als „Verhinderungsvorlage“, die „Stimmen-Splittung“ zum Ziel habe und dem „Machterhalt“ diene. Silke Mertins
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