■ Ein Spaziergang über die Jobbörse: Ausbildungsberatung und Nagel-Design
Unerhörte Berufe bietet die Jobbörse in der Bremer Bürgerschaft. Zum Beispiel den Beruf einer Auszubildenden „Fachangestellte für Arbeitsförderung“. Zweifellos ein Job mit Zukunft. Stefanie Landwehr hat hier ihren Ausbildungsplatz gefunden und ist jetzt also beim Arbeitsamt in der Lehre. „Viel Theorie und wenig Praxis“, sagt sie – aber eigentlich soll sie hier auf der Jobbörse ja auch gar nicht von ihrer Ausbildung sprechen, sondern von den 4Jobs, die Bremen sonst noch zu bieten hat.
Für zwei Tage – Dienstag/Mittwoch, den 9./10. Juni von 10 bis 17 Uhr – steht die angehende Arbeitsberaterin im Foyer der Bürgerschaft und berät Gleichaltrige, die noch unglücklicher sind als sie. Endlich mal direkten Kontakt zu ihrer Kundschaft zu haben, findet sie klasse, auch wenn „die Beratung im Arbeitsamt natürlich noch viel individueller ist“.
Dafür gibt's hier auf den schätzungsweise 50 x 50 Quadratmetern alles eng beisammen. Mittendrin ein simuliertes Arbeitsamt – „Hier Ausbildungsplätze on-line!“ –, am Rande die Berater-Kollegen von Handels- und Handwerkskammer und rundherum Betriebe, die exemplarisch „neue und modernisierte Ausbildungsberufe“ vorstellen.
Wunderbar modellierte Büsten empfangen den jungen Besucher: Da steht Anja Brunsing von den hairlines brunsing & brunsing und stellt den Beruf des „Friseurs“ vor. Das ist, nun ja, „nicht so neu“, gibt die junge Frau mit jungem Image unumwunden zu – aber verschärft werde jetzt auch Typenberatung und Nageldesign angeboten. Und abgeprüft. Ein Beruf mit Zukunft also, aber trotzdem noch immer nicht sonderlich nachgefragt von jungen Leuten mit unentschiedener Lebensperspektive. Gleichwohl – Anja Brunsing hat ihre vier Lehrlinge schon.
Kein Job also für die Schülerin Alicja, die mit ein paar netten Worten zum Stand der Handwerkskammer geschickt wird. „Können Sie denn deutsch lesen“, wird die 17jährige Realschülerin, die vor zwei Jahren aus Polen kam, da gefragt: „Sonst läuft nachher jemand ohne Haare rum“; aber. tröstend: „Wie Sie sich geben, werden Sie das schon lösen.“
Freundlich und informell geht es also in der Bürgerschaft zu. Alicia hinterläßt ihre Adresse und wird zum Friseur bei ihr um die Ecke geschickt: „Fragen Sie nach der Chefin und grüßen Sie sie von mir.“
Nebenan bei den Kälteanlagenbauern ist der Empfang gleichermaßen warm. Zwar hat auch dieser Berufszweig schon 15 Jahre auf dem Buckel, aber hier herrscht genauso chronisch Mangel an Lehrlingen wie im Friseur-Gewerbe. Grund genug, sich den jungen Mitbürgern mal vorzustellen. Die kamen und dürfen auch heute noch kommen. Schulklassenweise vormittags; mit dem Papa am Nachmittag. Denn immerhin: noch sind über 2000 stellensuchende Jugendliche ohne Ausbildungsplatz. 500 bis 1000 von ihnen, so schätzt der Berater von der Handelskammer, werden's wohl auch nach Ausbildungsbeginn noch sein: „Trotz der vielen schönen Worte, die hier zur Eröffnung der Jobbörse fielen“. ritz
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen