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Studierende lassen sich über Gebühren nicht belehren

■ FHTW widmet ihren Hochschultag dem Thema Studiengebühren. TU-Präsident Ewers meint: Wer nicht zahlen will, ist „nicht studierfähig“. Gegner beklagen Abhängigkeit von den Eltern

Das hätten sie sich nicht träumen lassen. Als die Kommunisten den Hörsaal der Karlshorster Hochschule für Ökonomie in schönstem Stalin-Stil errichteten, wollten sie den Sprößlingen von Arbeitern und Bauern den Weg zu ökonomischen Wahrheiten ebnen.

Gestern erlebte der gleiche Saal, der mittlerweile der Fachhochschule für Technik und Wirtschaft (FHTW) als Audimax dient, eine Debatte über Studiengebühren. Auf dem „Hochschultag“ der FHTW verfocht der Wirtschaftswissenschaftler Hans-Jürgen Ewers, Präsident der Technischen Universität (TU), solche Gebühren als Königsweg zu einer radikal marktwirtschaftlichen Organisation des Bildungswesens.

Bei den Studierenden machte er sich damit nicht sonderlich beliebt. Rote und grüne Zettel hatten die Organisatoren verteilt, um die Präferenzen des Publikums zu erforschen. Seine eigene Position ließ der Moderator und FHTW-Vizepräsident Jürgen Keßler dezent durchblicken, indem er die Farbe Grün den Gegnern, Rot hingegen den Befürwortern von Studiengebühren reservierte. Umstimmen ließ sich von der Debatte kaum jemand: Vorher wie nachher dominierte Grün.

Für Ewers sind Studiengebühren ein „Gebot sozialer Gerechtigkeit“. Es sei eine „Umverteilung von unten nach oben“, wenn der Handwerker mit seinen Steuern die Hochschulen finanziere. Soziale Diskriminierung lasse sich mit Darlehensmodellen „perfekt“ vermeiden. Vor allem aber bekämen die Studierenden das Instrument einer „finanzwirksamen Abstimmung mit den Füßen“ in die Hand, mit dem sie „den Professoren Feuer unter dem Stuhl machen“ könnten. „Wer diese Argumentation nicht begreift“, glaubt Ewers, „ist nicht studierfähig.“ Die Gebühren-Gegner sprachen von der „Unkenntnis und dem Sozialneid des Publikums“. Sie verstünden nichts von der „Funktionsweise von Märkten“.

Der Vorwurf galt vor allem dem jungen FHTW-Wirtschaftsprofessor Stephan Wilksch, der jedoch den Eindruck erweckte, geistig noch einigermaßen beieinander zu sein. Das Umverteilungs-Argument wollte er gar nicht erst gelten lassen, schließlich zahlten gutverdienende Akademiker ohnehin die meisten Steuern. Zudem müßten Gebühren zu einem Verlust an Vielfalt führen, weil nachfrageschwache Fächer wie Ägyptologie kaum Einnahmen versprächen. Schließlich hätten alle Umfragen bewiesen, daß im Wettbewerb um die Studierenden nicht die besten Hochschulen gewinnen – sondern jene, die den höchsten Spaßfaktor und die größte Wohnortnähe versprächen. Das Geld, das in den Wissenschaftsetats der Länder fehle, solle daher nicht aus dem Portemonnaie der Studierenden, sondern aus dem Bundeshaushalt fließen.

Die Studierenden hörten es gerne. Ihnen behagen auch die „sozialverträglichen“ Modelle nicht, weil sie nur die Wahl zwischen einem Schuldenberg und einer verlängerten Abhängigkeit von den Eltern lassen. „Det ist unerträglich“, kommentierte eine Studentin halblaut die Ausführungen des TU-Präsidenten, „ich könnt' jetzt wirklich ausrasten.“ Ralph Bollmann

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