Kommentar: Die paar 80.000
■ Warum eine Riesendemonstration allein nicht reicht, um Hamburgs SPD zu wecken
Hamburgs LehrerInnen und SchülerInnen haben die träge Arroganz der SPD unterschätzt. Mit der Riesendemonstration gegen Bildungsabbau vor genau zwei Wochen glaubten sie, ein Zeichen gesetzt zu haben gegen die Sparpläne von Schulsenatorin Rosemarie Raab. Nun hat sich herausgestellt, daß 80.000 Menschen auf der Straße nicht reichen, um die regierungsgewohnten SozialdemokratInnen ins Grübeln zu bringen.
Daß es an den Sparplänen seiner Senatorin nichts zu rütteln gibt, war Bürgermeister Ortwin Runde schon vor dem gestrigen Treffen mit dem Bündnis klar. Im Rathaus redete er folglich nicht über Kompromisse, sondern nur über den Zwang zu sparen – in der Schule heißt so etwas Referat. Da können Lehrer- und SchülerInnen ihre Position noch so deutlich darlegen: Zwei Monologe machen noch kein Gespräch.
Den Bürgermeister dürfte das wenig stören. Er verliert zunächst nichts bei dem gemeinsamen Nachmittagsunterricht. Das könnte sich jedoch bald ändern. Denn bis zu den Bundestagswahlen im September ist es nicht mehr allzu lange hin; die Wut vieler LehrerInnen, Eltern und SchülerInnen wird bis dahin kaum verraucht sein.
Solange sich allerdings nicht ein paar tausend LehrerInnen zum Mittagessen in der Kantine der Schulbehörde einfinden oder die SchülerInnen ihre Große Pause im Rathausfoyer verbringen, wird sich bei der SPD nichts bewegen. Um sie zum Verhandeln zu bringen, braucht es mehr als nur eine einzige Bildungs-Demonstration mit „den paar 80.000“ auf der Straße.
Judith Weber
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