Auf Du und Du mit dem Kontraktwesen nach McKinsey
: Riesenfortschritte – unter dem Haushaltsvorbehalt

■ Die Steuerungsgruppe zur Reform der Kulturförderung ärgerte die Szene mit einem Vertragsentwurf. Jetzt kontert die SPD mit einem Gegenvorschlag für die Bürgerhäuser. Weitere sollen folgen. Die Landesarbeitsgemeinschaft Soziokultur findet das gut

Die böse Überraschung war im April mit der Post gekommen. Die für die Reform der Kulturverwaltung und -förderung zuständige Steuerungsgruppe hatte sich Arbeit gemacht und ein Papier verfaßt. Als Musterentwurf für den „Zuwendungsvertrag zwischen der Stadtgemeinde Bremen und dem Zuwendungsempfänger“ XY hatte die Gruppe mit VertreterInnen des Kultur-, Wirtschafts- und Finanzressorts ihr Papier an die Kultureinrichtungen verschickt. Und dort kam es überhaupt nicht gut an. „Der Entwurf hat gelinde gesagt einen Aufschrei bei allen Einrichtungen ausgelöst“, weiß die kulturpolitische Sprecherin der SPD, Carmen Emigholz, und konterte am Mittwoch abend mit einem Gegenvorschlag.

Zum Schreien oder ein Fall für die Rechtsanwältin war der Entwurf, weil einige Passagen unverhohlen auf den Punkt brachten, was KritikerInnen ohnehin hinter dem Reformeifer im Jahr eins nach McKinsey vermuten: Ein Mittel, drastisch zu sparen oder sich der lästigen Kultur zu entledigen. Während in der Bütt der Eröffnungsreden von der Kultur als Standortfaktor und von Planungssicherheit geschwätzt wurde, ersann die Steuerungsgruppe das genaue Gegenteil: „Der Zuwendungsgeber (ZG) gewährt dem Zuwendungsempfänger (ZE) für das Jahr .X.. eine institutionelle Förderung ...“, heißt es da im Paragraph 1 des Mustervertrages. Laut Paragraph 5 sollte vierteljährlich ein Controllingbericht erstellt und um ein fast buchdickes Konvolut von Zahlen und Plänen ergänzt werden. Diese beschäftigungsintensive Berichtstätigkeit „belohnte“ der Vertrag mit einer Klausel zur fristlosen Kündigung: Neben gerechtfertigten Gründen reichte auch ein „Entfallen der Zuwendungsvoraussetzungen aus anderem“, also beliebigem „Grund“.

Dem Vernehmen nach sollen sich die Vertreter des Finanzsenators in der Steuerungsgruppe für diese, nach dem Postversand strittig gewordenen Passagen eingesetzt haben. Anderenfalls wäre die jetzt gestartete Gegentaktik wohl auch chancenlos. Bei einer Anhörung zum Mustervertrag rief die Gruppe die VertreterInnen der Kultureinrichtungen schon im April dazu auf, selbst einen Entwurf zu erarbeiten. Die reagierten nicht gerade begeistert. Allein Carmen Emigholz griff den Vorschlag auf und erarbeitete zusammen mit dem für Bürgerhäuser zuständigen Referenten im Kulturressort, Wolfgang Lindemeyer, einen neuen Mustervertrag für diesen Bereich.

Die Bürgerhäuser sind ein Filetstück im sozialdemokratischen Kulturverständnis. Außerdem wurden sie schon 1994, als die Bündnisgrüne Helga Trüpel noch Kultursenatorin war, umorganisiert. Also war es erstens relativ leicht und zweitens politisch treffsicher, die Bürgerhäuser zum Modell zu machen. Eine vierjährige Vertragsdauer als Standardlaufzeit und – mit Ausnahme des Haushaltsvorbehalts – eingeschränktere Kündigungsvoraussetzungen haben Emigholz und Lindemeyer in ihren Entwurf geschrieben, der sich in einem prosaischen Bekenntnis zu den Bürgerhäusern auch sprachlich stark vom ersten Musterkontrakt unterscheidet. Auf den gewichtigen Anhang alias „Vereinbarung von Finanz-, Personal- und Leistungszielen“ verzichten die beiden ganz, weil die Bürgerhäuser der Kulturbehörde schon jetzt umfassend über ihr Wirtschaften berichten. Kein Wunder, daß SprecherInnen der Bürgerhäuser am Mittwoch abend wohlwollend bis begeistert reagierten, als Emigholz und Lindemeyer ihren Vorschlag öffentlich zur Schau stellten. Anerkennung auch von anderen: Maren Bock vom Vorstand der Landesarbeitsgemeinschaft (LAG) Soziokultur begrüßte vor allem die mehrjährige Vertragslaufzeit als „Riesenfortschritt“ auch für ihren Bereich. Die LAG beteiligt sich deshalb daran, diesen Kontrakt auf die Soziokultur zu übertragen. Carmen Emigholz strebt ähnliches für die Bereiche Museen und Theater an.

Aber haben die Entwürfe überhaupt Chancen, unterschriftsreif zu werden? „Ja“, sagt die SPD-Finanzdeputierte und Sozialpolitikerin Elke Steinhöfel bei der Anhörung auf Anfrage. „Es steht alles unter einem Haushaltsvorbehalt.“ Außerdem: Ohne den Segen der Behördenleitung hätte Lindemeyer damit nicht an die Öffentlichkeit gehen können. Lindemeyers Verhalten soll schon NachahmerInnen gefunden haben. ck

Die von Carmen Emigholz initiierte „kulturpolitische Kampagne“ wird am 15. Juli um 14 Uhr mit einer Fachtagung namens „Zeitgemäße Museumsarbeit in Bremen“ im Haus der Bürgerschaft fortgesetzt.