: Zum Geburtstag Charlie
Ihr Marktwert hängt von dem ihres Originals ab. Aber Doppelgänger müssen mehr tun als nur jemandem ähnlich sehen ■ Von Heike Dierbach
Wer heute früh den ICE von Hamburg nach Frankfurt genommen hat, hat im Zug vielleicht einen Herrn mit Frack, Schirm und Melone getroffen, den man schon mal irgendwo... ja, das ist doch... aber ist der nicht schon lange... Charlie lebt? Nein. Auf dem Sitz machte es sich Simon Steinbach bequem, wohnhaft in der Hansestadt, von Beruf Charlie-Chaplin-Doppelgänger und auf dem Weg zu einem Einsatz am Main.
„Früher war in solchen Situationen immer gleich Stimmung“, erzählt Steinbach, der nur verkleidet Zug fährt, weil er zwei bis drei Stunden zum Schminken braucht. „Aber heute haben die Leute kaum noch spontanen Humor.“
Dabei könnte „Charlie“ sogar eine Einrad-Nummer auf dem Bahnsteig hinlegen. Schließlich reicht es nicht, wenn ein Doppelgänger nur so aussieht wie sein Vorbild. „Er muß genauso souverän auf der Bühne sein wie das Original“, erläutert Ralf Grundt, Chef der Hamburger Agentur „Grundt Veranstaltungsservice“. Sein „Pavarotti“ kann singen, und „Franz Beckenbauer“ spielt auch Fußball – in der unteren Amateurliga. Über 100 DoppelgängerInnen managt Grundt, von „Marilyn Monroe“ (einer Hamburger Friseurin) bis zu „Erich Honecker“, einem Pensionär aus Sachsen.
Vor allem für Geburtstagsfeiern, Straßenfeste und Geschäfts-Eröffnungen werden die Star-Doubles angefordert – für 1000 Mark aufwärts pro Tag. „Er kommt“, steht dann unter dem Foto von Peter Remillong aus Lübeck, und die BesucherInnen denken, sie träfen Franz Beckenbauer. Der Veranstalter darf sie in dem Glauben lassen, erläutert Grundt. Bloß das Double als „Herrn Beckenbauer“ begrüßen dürfe er nicht. Unfein sei es auch, Kopie und Original zugleich auftreten zu lassen.
Die Gefahr besteht bei Simon Steinbach nicht. Aber als Charlie Chaplin hat er schon diverse echte Prominente getroffen, war bei Dagmar Berghoff in der Tagesschau und mit Harald Juhnke im Hamburger Hotel Interconti. „Mir macht es Spaß, in eine andere Haut zu schlüpfen“, erklärt der frühere Berufsartist, „ich ziehe den Anzug an und bin Charlie.“
Die Branche bietet noch viele freie Stellen. Einen „Berti Vogts“ gibt es noch nicht und auch keinen „Guildo Horn“. Allerdings ist der Marktwert eines Doubles von dem seines Originals abhängig. „Lady Di etwa hat nur noch sehr wenig Aufträge“, berichtet Grundt. Die Sparte „Politiker“ dagegen sei recht stabil.
Hier könnte es ab September allerdings kritisch werden für einen Doppelgänger aus Süddeutschland, dessen Kopfform stark an eine Birne erinnert.
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