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Schlüssel im Schloß vergessen

■ Der schwerste Zwischenfall seit Inbetriebnahme im Atomkraftwerk Esensham war ein krasser Bedienungsfehler / AKW-Gegner fordern jetzt endlich ein unabhängiges Sicherheits-Gutachten

Schuld an dem Störfall im Atomkraftwerk Unterweser in Esensham war zum großen Teil menschliches Versagen, teilte die Betreibergesellschaft PreussenElektra gestern mit. Der Zwischenfall am 6. Juni war der schwerste in der Geschichte des 1.350-Megawatt-Reaktors, der 1978 ans Netz ging. Auf der siebenstufigen Alarmskala der Internationalen Atomenergiebehörde wurde er auf Stufe 2 eingeordnet. In Deutschland soll es im letzten Jahr drei so eingestufte Fälle gegeben haben. Das AKW, 47 Kilometer Luftlinie von der Bremer Innenstadt entfernt, bleibt vorerst abgeschaltet.

„Es ist zwar keine Radioaktivität freigesetzt worden“, teilt die Sprecherin des niedersächsischen Umweltministeriums, Uta Kreutzenbeck, mit. „Aber das ist schon eine gravierende Geschichte.“ Eines von vier Ventilen, die einen Druckanstieg im Frischdampf-System im Notfall ausgleichen sollen, war nicht scharfgeschaltet und damit funktionsuntüchtig. Tatsächlich war es am 6. Juni bei Reparaturarbeiten zu einem Druckanstieg gekommen, die zur automatischen Abschaltung des AKW führten. Nachträglich stellte man fest, daß eines der Ventile nicht angeschaltet war, das im Notfall den Wasserdampf, der die Turbine antreibt, in den Himmel geblasen hätte.

„Es wurde schlicht vergessen, das Ventil nach Reparaturarbeiten wieder anzustellen“, so Kreutzenbeck. Die Ventile könnten nur mit einem Schlüssel deaktiviert werden, der normalerweise in einem Schlüsselkasten aufbewahrt wird. Als der Druckanstieg stattfand, steckte der Schlüssel noch, das Ventil war also ausgeschaltet. Das einer der wichtigen Schlüssel nicht an seinem vorgesehenen Ort aufbewahrt wurde, war offenbar niemandem aufgefallen. Im Betriebshandbuch des AKW steht allerdings bislang auch nicht, daß nach einer Reparatur die Ventile wieder scharf geschaltet werden müssen.

„Das ganze Ereignis war ohne Auswirkungen“, wiegelt dagegen die Sprecherin der PreussenElektra, Petra Ullmann, ab. In der ganzen Betriebszeit von Esenshamm habe es laut IAEA-Skala zwei Vorfälle gegeben: den aktuellen und einen der Stufe 1 im Jahr 1996. Dennoch soll jetzt das Betriebshandbuch nachgebessert und das Personal nachgeschult werden.

Hans Otto Meyer-Ott vom „Arbeitskreis Wesermarsch“ will sich damit nicht zufrieden geben. Seit Anfang der 80er Jahre kämpft er dafür, daß unabhängige Gutachter die Sicherheit des AKW überprüfen – seit Schröders Wahl in Niedersachsen allerdings mit sinkendem Erfolg. Die Kuppel des Kraftwerkes zum Beispiel würde einem Flugzeugabsturz moderner Flieger nicht standhalten – und das gelte nicht nur für einen direkten Aufprall. Insgesamt, so Meyer-Ott, gäbe es „ein Dutzend Problembereiche in der Sicherheitstechnik“ von Esenshamm.

Abgesehen von dem Störfall hat Esenshamm auch sein Päckchen zu tragen, was die Kontamination von vollen und leeren Castor-Transport-Behältern mit sogenannten „Hot-Spots“ angeht. Von den 107 Brennelement-Transporten, die seit 1980 von Esenshamm über Bremen gefahren wurden, kamen 12 mit Kontaminationen oberhalb der Grenzwerte in den Wiederaufbereitungsanlagen La Hague und Sellafield an. Und auch bei 20 ankommenden, leeren Transportbehältern hatte der Wischtest Kontaminationen oberhalb des Grenzwertes ergeben, bestätigt PreussenElektra. Die Überschreitungen seien allerdings bei äußerst großzügigen Meßmethoden gering gewesen, so Sprecherin Ullmann.

Christoph Dowe

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