: "Gemütlich war es nie"
■ Das Gedächtnis der Frauenbewegung: Das FFBIZ ist 20 Jahre alt. Ein Ort konfliktreicher Begegnungen zwischen unterschiedlichen Frauen
Das Schild „FFBIZ“, das in die Charlottenburger Danckelmannstraße ragt, ist schon reichlich rostig geworden. Ursula Nienhaus, Doktorin der Geschichtswissenschaft, steigt auf eine Leiter und versucht, den Fraß der Zeit zu beseitigen. Zum 20jährigen Jubiläumsfest am Samstag unter der Schirmfrauschaft von Frauensenatorin Christine Bergmann und Alice Schwarzer soll sich das bundesweit älteste Archiv der autonomen Frauenbewegung in neuem Glanz zeigen.
Glanz? Die Bilanz aus zwanzig Jahren Arbeit, die FFBIZ-Mitbegründerin Nienhaus an einem der Bibliothekstische zieht, ist nicht nur glänzend, sondern recht gemischt. Auf der Positivseite vermerkt die 51jährige Historikerin, daß das FFBIZ als größtes Archiv der westdeutschen Frauenbewegung überhaupt überlebt hat. Positiv sei auch, daß es als „innovatives Modell“ viele andere Institutionen der Frauenforschung beeinflußt habe. „Ganz und gar gescheitert“ seien sie jedoch mit ihrer Forderung, solch ein Projekt nicht per Selbstausbeutung zu betreiben. Geschäftsführerin Christel Wietusch bekommt aus Senatsgeldern eine Stelle bezahlt, Ursula Nienhaus eine dreiviertel, das war's. Der Großteil der Arbeit vieler hier engagierter Frauen bleibt unbezahlt. Genau das habe die Gründerinnengeneration unbedingt vermeiden wollen: Die „gesellschaftlich notwendige Arbeit“ der Frauenforschung und -weiterbildung dürfe keinesfalls unentgeltlich sein, hieß es in der Gründungsphase des Projekts.
Wie kam es überhaupt dazu, und wer hat sich bloß diesen umständlichen Namen ausgedacht? 1977 hätten sich zum erstenmal Frauen der „neuen“ und der „alten“ Frauenbewegung zusammengesetzt, erinnert sich Ursula Nienhaus, bei der „Ersten Berliner Konferenz der traditionellen Frauenverbände und autonomen Frauengruppen“. 68er Feministinnen diskutierten mit den ehrwürdigen Damen von CDU, FDP und des Berliner Frauenbunds von 1945. Bei dieser Gelegenheit erfuhren die späteren Gründerinnen, daß die nicht minder ehrwürdige Helene-Lange-Bibliothek öffentlich nicht zugänglich und vom Zerfall bedroht war.
Anfang 1978 riefen sie per Anzeige in der Frauenzeitschrift Courage zur Beratung über das Schicksal der aus Frauenliteratur pur bestehenden Bibliothek auf. „Zum ersten Treffen im Frauenzentrum erschienen 200 Frauen“, berichtet die Mitgründerin von der heute unvorstellbar breiten Resonanz in der Frauenszene. „Wir schlugen vor, daß sich die Frauen in die Untergruppen Forschung, Bildung und Information einteilen sollten, aber sie wollten sich nicht einteilen lassen.“ Auf diese Weise entstand denn auch der zungenbrecherische Name.
Erste Vereinsvorsitzende war damals Claudia Bernardoni, sie und andere Mitgründerinnen wie Barbara Duden oder Gisela Bock haben sich als Frauenforscherinnen längst einen Namen gemacht. 1979 besetzten die FFBIZ-Frauen einen ehemaligen Blumenladen in der Danckelmannstraße 13, ein Jahr später zogen sie wegen Sanierungsarbeiten in die heutige FFBIZ-Galerie in der Danckelmannstraße 15. Die rollstuhlgeeigneten Bibliotheksräume mit ihren mehr als 10.000 Büchern und zahlreichen „grauen Materialien“ wurden 1986 angemietet. Ihr Archiv, in dem auch Fotos, Plakate, Zeitungsartikel und Nachlässe gesammelt und aufbereitet werden, nennen die FFBIZ-Frauen nicht zu Unrecht „das Gedächtnis der neuen Frauenbewegung“. „Das ist keineswegs rückwärts gewandt“, findet Ursula Nienhaus. „Wenn die Frauenbewegung ihr Gedächtnis verliert, kann sie auch die Zukunft nicht beeinflussen.“
Zumal die Geschichte viele Zirkelschlüsse kennt. Nach fast 20 Jahren traf Ursula Nienhaus eine der Gründerfrauen im FFBIZ wieder, diesmal als „Aufwind“-Aktivistin. „Aufwind“, das „Netzwerk freiwillig (un)bezahlt arbeitender Frauen in Berlin“, ist eine der vielen interessanten Blüten, die in den Räumen des FFBIZ treiben. Diese Gruppe zorniger älterer Damen trifft sich – wie andere Initiativen auch – regelmäßig im FFBIZ. Was sie bei alten NachbarInnen, in Selbsthilfegruppen oder Frauenprojekten leisten, dürfe man nicht „ehrenamtliche Arbeit“ nennen, denn es fehle die Ehre und die Anrechnung unbezahlter Arbeit auf Renten und Sozialleistungen, schimpfen die zumeist christlich orientierten „Aufwind“-Damen. Einmal wollten sie sich deswegen sogar bei Ehrenamt-Propagandistin Claudia Nolte persönlich beschweren und gerieten in eine Rangelei mit den Bonner Sicherheitsbeamten.
„Das ist ein schönes Beispiel dafür, was im FFBIZ alles möglich ist“, findet Ursula Nienhaus. „Wir haben uns deshalb immer geweigert, zu definieren, was Feminismus ist. Wenn zwei oder drei Frauen sich zusammenhocken und gemeinsam Stärke entwickeln wollen, ist das für mich feministisch.“ Natürlich bleiben Konflikte nicht aus, wenn autonome Feministinnen auf „Aufwind“-Christinnen, junge Hüpfer auf alte Drachen, Lesben auf Heteras stoßen. „Gemütlich war es hier nie“, gibt Nienhaus zu. „Beim Mittagessen geht es manchmal ganz schön heftig zu. Aber die Konflikte machen auch unsere Lebendigkeit aus und befähigen uns, Frauen zu integrieren, die absolut nichts mit Frauenbewegung zu tun haben.“ Ute Scheub
Heute wird um 18 Uhr in der FFBIZ-Galerie eine Fotoausstellung zur Projektgeschichte zu sehen sein. Ab 19 Uhr „festliches Beisammensein“, ab 22 Uhr geht es dann zur Dance-Party ins EWA-Frauenzentrum in der Prenzlauer Allee 6. Männliche Freunde des FFBIZ dürfen übrigens mitfeiern.
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